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Die Schwedin Fridolina Rolfo (l.) tröstet Leonie Maier nach Abpfiff.

© imago images/Jan Huebner

Gründe für das Scheitern: Bei den DFB-Frauen regiert Königin Chaos

Das WM-Aus zeigt, was dem Nationalteam an Klasse fehlt. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg darf trotzdem im Amt bleiben.

Von David Joram

Am Tag danach glich Rennes wieder einem Paradies. Touristen wie Einheimische schlenderten gemütlich durch die schmucken Gassen der Altstadt. Ein paar kehrten in die Crêperie „les Betises“ ein, was so viel wie Firlefanz, Unfug oder Alberei bedeutet. Dort ließen sich die Gäste an den fein gedeckten Tischchen nieder, sogen die Sonnenstrahlen auf und aßen Crêpes-Variationen, die „La Bouba“, „La Princesse Sarah“ oder „La Bisounours“ heißen und ganz wunderbar aussahen. Ein laues Lüftchen zog dabei auf und kühlte die Gesichter der Gäste.
Kaum etwas deutete mehr auf das Drama des Vorabends hin, zumal die Protagonistinnen schon abgereist waren. Gleich am Morgen hatten die deutschen Spielerinnen ihre Zimmer im Hotel geräumt und fuhren von Rennes mit dem Zug nach Paris, wo sich ihre Wege trennten. 1:2 hatte die deutsche Nationalmannschaft der Frauen im WM-Viertelfinale gegen Schweden am Samstagabend verloren, es war die erste Niederlage seit 24 Jahren gegen die Skandinavierinnen. Sie kostete sie die WM-Halbfinalteilnahme und die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. „Es ist traurig, dass wir Olympia verpassen und nächstes Jahr kein großes Turnier haben“, sagte Spielführerin Alexandra Popp.
Fahrig und orientierungslos hatten die Deutschen agiert. Das war beim ersten Gegentor so, als Innenverteidigerin Marina Hegering einen Befreiungsschlag falsch einschätze. Und auch beim schwedischen Führungstor kurz nach der Pause regierte Königin Chaos. Spielt so ein Team, das sich nach eigenem Verständnis zu den führenden Fußballmächten auf dem Globus zählt?
Just dies hatte die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg behauptet. Dass das deutsche Team nämlich nie aus der Weltspitze weggewesen sei. Interessanterweise wollte Voss-Tecklenburg ihre Meinung nach dem Ausscheiden nicht revidieren. „Wie groß ist die Weltspitze?“, fragte sie – und antwortete gleich selbst: „Das ist eine Frage der Definition. Das Spiel haben wir nicht 0:5 verloren, sondern 1:2. Es war sehr eng, ein Spiel auf Augenhöhe. Es hat auch ein bisschen Spielglück gefehlt.“ Nur Spielglück – oder doch mehr?
Als Voss-Tecklenburg ihr Fazit gesprochen hatte, schlich Alexandra Popp in ihren weißen Turnschuhen als letzte Spielerin über den roten Belag aus den Umkleidekabinen. Einen „blöden individuellen Fehler“ nannte die Kapitänin den schwedischen Ausgleich. Das 1:1 habe das Team total aus der Bahn geworfen, monierte sie noch.
Nun ist es im Fußball aber häufig so, dass Fehler passieren und daraus Tore für die Kontrahentinnen resultieren. Nur gaben die Deutschen darauf keine Antwort – und das war die eigentliche Enttäuschung. „Was sicher ein bisschen fehlt, ist diese Konstanz, auch bei Rückschlägen weiter mutig und positiv zu sein. Wir haben das jetzt zum ersten Mal erlebt, vorher hatten wir die Situation noch nicht“, sagte die Bundestrainerin. Doch gerade Weltklasse-Teams zeichnen auch Nehmerqualitäten aus. Das deutsche Team hatte sie am Samstag nicht.

Es fehlt an Optionen und Automatismen

Und nicht nur das: Die Flexibilität vieler Spielerinnen – Kapitänin Popp, nominelle Stürmerin, ackerte 70 Minuten lang auf der Sechser-Position – schien dem Team diesmal eher zu schaden. Auch dass Dzsenifer Marozsan angesichts ihres Trainingsrückstandes nach dem Zehenbruch eingewechselt wurde, kritisierten viele. Offensiv fehlten Optionen und Automatismen. Und auch auf Schwedens Abwehrstärke waren die Deutschen schlecht vorbereitet. Nach 90 Minuten plus sechsminütiger Nachspielzeit stellte sich die naheliegende Frage, was nun aus der Niederlage von Rennes folgt? Die Bundestrainerin, die mit ihren Personalentscheidungen nicht immer ein gutes Händchen bewies, antwortete geradlinig: „Ich erwarte, dass wir diese Niederlage verarbeiten, dass wir die nächsten Schritte einleiten, dass wir wieder aufstehen, dass wir daran wachsen und uns neue Ziele setzten.“ Die Zeit dafür wird sie bekommen. Einen erneuten Personalwechsel beim wichtigsten Amt im Frauenfußball schloss der Deutsche Fußball- Bund am Sonntag aus. „Die Frage erübrigt sich, weil wir uns wirklich extrem bemüht haben, Martina Voss-Tecklenburg als Trainerin zu gewinnen. Wo keine Probleme sind, muss ich mir auch keine machen“, sagte Interimspräsident Rainer Koch der „Bild am Sonntag“.

Kein Zutritt zur großen Bühne Olympia

Jetzt wird sich das Team nur durch die EM-Qualifikation spielen dürfen statt die große Bühne Olympia zu betreten. „Wir haben nicht mal die Olympia-Quali. Dem gibt es nichts hinzuzufügen“, sagte Stürmerin Lea Schüller, die wie ihre Kolleginnen bitter enttäuscht aussah. Sie wissen selbst, dass die Weltspitze ihnen doch ein bisschen enteilt ist.

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