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So war das damals. Günter Netzer, ehemaliger Fußballspieler, Unternehmer und TV-Experte, erzählt von Gladbachs Israel-Reise.

© Sebastian Gollnow/dpa

Günter Netzer: „Das kann man einem Fußballer mit Leib und Seele doch nicht erzählen!“

Vor 50 Jahren trat Borussia Mönchengladbach als erster Bundesligist in Israel an. Der frühere Nationalspieler erinnert sich an eine kuriose Bitte.

Günter Netzer, 75, war einer der besten Mittelfeldspieler, die Deutschland je hatte. Nach seiner Spielerkarriere arbeitete er unter anderem als Manager beim Hamburger SV, TV-Experte und Unternehmer. Vor 50 Jahren spielt Borussia Mönchengladbach mit Netzer als erster Bundesligist in Israel. Der ehemalige Nationalspieler kann sich noch gut an diese außergewöhnliche Reise erinnern. Aber er hatte keine Ahnung, was sie bewirken würde.

Herr Netzer, am 23. Februar 1970 reisten sie mit Borussia Mönchengladbach als erster Bundesligist nach Israel. Haben Sie sich als Brückenbauer gesehen?
Um Himmels Willen, das wäre ja maßlos übertrieben gewesen, wenn wir jungen Leute, die nur Fußball im Kopf hatten, hochpolitisch gedacht hätten!

Die Fohlen-Elf. Der damalige deutsche Fußballmeister Mönchengladbach präsentiert sich am 27. Juli 1970 im Bökelbergstadion.
Die Fohlen-Elf. Der damalige deutsche Fußballmeister Mönchengladbach präsentiert sich am 27. Juli 1970 im Bökelbergstadion.

© dpa

Sie machten dann in Tel Aviv vor über 20.000 Zuschauern ein Spiel gegen die israelische Nationalmannschaft. Wie haben Sie die Stimmung in Erinnerung?
Das war völlig außergewöhnlich. Zu Anfang war das ein ganz normales Spiel, wo keine großen Emotionen aufkamen. Es gab auch keine Besonderheiten. Aber dann führten wir zur Halbzeit 3:0, und dann passierte etwas Komisches.

Was denn?
Zur Pause kam Israels Trainer Emanuel Schaffer zu unserem Trainer Hennes Weisweiler. Er flehte ihn an: „Hennes, bitte tu mir einen Gefallen und sag' deinen Jungs, sie sollen aufhören so zu spielen. Sonst bin ich morgen entlassen!“ Aber das hat uns dann doch sehr gewundert, dass Hennes Weisweiler, also derjenige, der uns eigentlich immer zu Angriffsleistungen gezwungen hat, unter dem wir manchmal Harakiri ohne Ende gespielt haben, dass er uns plötzlich aufforderte, mit dem Toreschießen aufzuhören. Das kann man einem Fußballer mit Leib und Seele doch nicht erzählen!

Was passierte dann?
Wir haben im kleinen Mannschaftskreis besprochen, dass wir das nicht tun werden. Da haben wir in der zweiten Halbzeit dann erst recht losgelegt. Das war einer dieser Tage, an denen uns unglaublich viel gelungen ist, wo wir einen Spielfluss und eine Formstärke hatten, die dazu führten, etwas Besonderes zu leisten. Am Ende haben wir 6:0 gewonnen.

Trotzdem haben die israelischen Fans Sie nach dem Spiel gefeiert.
Das war so euphorisch und begeisternd, die haben uns umarmt und auf Schultern getragen, diese Reaktionen waren unfassbar toll. Trotzdem hat auch in diesem Moment noch keiner von uns daran gedacht, was das politisch bedeuten könnte. Im Nachhinein hat uns das über alle Maßen gefreut, dass hier 25 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewissermaßen über den Sport eine Annäherung stattgefunden hat.

Kann der Fußball auch heute noch eine völkerverbindende Wirkung haben?
Ich weiß es nicht. Die Probleme in der Welt sind heute komplexer. Aber in kleinerem Rahmen besitzt der Fußball immer noch die Möglichkeit, völkerverbindend zu wirken. Ein wunderbares Beispiel ist die WM 2006 in Deutschland. Da sind damals Fans aus aller Welt gekommen und haben danach gesagt: „So lebensfroh haben wir uns Deutschland aber nicht vorgestellt.“ All die Vorurteile haben sich nicht bestätigt. (dpa)

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