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Hamburger SV: Bruno Labbadia: Der Rasenerklärer

Bruno Labbadia ist interessiert und engagiert, er hinterfragt Dinge, er gilt als akribischer Arbeiter, der für den Fußball lebt. Weshalb der Trainer beim HSV dennoch in der Kritik steht.

An einem kalten Abend mit Schnee und Sturm erklärte Bruno Labbadia dem staunenden Publikum, wie schwer es ist, Fußballrasen von A nach B zu transportieren. Er habe sich da mal hintergeklemmt, hob Labbadia an, und berichtete dann detailliert aus der Welt des Grüns: Temperaturen, Transport, Bodenbeschaffenheit. Eigentlich ging es an diesem Freitagabend im Januar aber nur darum, warum der Hamburger SV seinen vom ewigen Winter ramponierten Rasen nicht fürs nächste Spiel austauschen wollte.

Labbadia genügen kurze Antworten nicht. Er holt aus, will sich erklären, will zeigen, dass er etwas in Erfahrung gebracht hat. Das passiert nicht nur, wenn es um Fußball geht. „Wir wussten schon lange, dass …“, so beginnt er seine Sätze gern. Dass es eine schwere Rückrunde werden würde. Dass Ruud van Nistelrooy nach langer Verletzungspause Zeit benötigt, um austrainiert zu sein. Dass Zé Roberto nicht die ganze Serie spielen würde wie im Spätsommer 2009.

Labbadia weiß erstaunlich viel, er ist interessiert und engagiert, er hinterfragt Dinge, er gilt als akribischer Arbeiter, der für den Fußball lebt und sich morgens um 7 Uhr mit Läufen um die Alster in Form hält. Labbadia ist 44 Jahre alt, er hat eigentlich genug Zeit, noch etwas zu erreichen als Trainer in der Bundesliga. Aber sein Ehrgeiz treibt ihn voran, er will nicht warten, kann nicht zusehen. Um beim Rasenbeispiel zu bleiben: Am liebsten hätte er das Einpassen der Grasnarbe überwacht.

Diese Detailversessenheit und die Ansprüche, die er an die Spieler stellt, könnten ihm beim HSV gerade zum Verhängnis werden. Labbadia kämpft um Akzeptanz und Autorität in der nominell starken, aber schwer zu führenden Mannschaft. Längst geistert der Name Joachim Löw durch Hamburg, der den HSV zusammen mit seinem Assistenten Hansi Flick in der Serie 2010/2011 zur Meisterschaft führen soll.

Denn wie schon in Fürth und Leverkusen bricht auch in Hamburg eine Labbadia-Mannschaft in der zweiten Saisonhälfte ein. Labbadia fordert frühes Angreifen, Tempo im Spiel, schnelles Passen, Hinterlaufen. Er verlangt anspruchsvollen, sehenswerten Fußball. Den bekam er bei allen Stationen – zunächst. Die Hamburger Fans lagen ihm im September zu Füßen. Nach dem 0:1 in Gladbach vor einer Woche riefen sie: „Bruno raus!“ Fraglich ist allerdings, ob Labbadia von erfahrenen Spielern mit großen Namen wie van Nistelrooy, Zé Roberto und Mladen Petric das Gleiche verlangen muss wie von Emporkömmlingen wie Aogo, Boateng oder Torun. Labbadia sucht das richtige Maß.

Immer wieder unterbricht er das Training, wenn Fehler geschehen. Die Jungen mögen ihm wissbegierig an den Lippen hängen. Die Alten verdrehen eher die Augen. Es ist ja löblich, alle gleich behandeln zu wollen. Es gelingt in einem Kader mit 30 Spielern und ebenso vielen verschiedenen Charakteren aber nicht. Petric muss man nicht sagen, dass er Pressing spielen soll. Er kann es nicht, er will es nicht. Für Labbadia, als Profi ein Renner mit Biss und Torgarantie, völlig unverständlich. In Leverkusen scheiterte er auch daran, dass er nicht verstand, wie anders als er mancher Spieler doch tickt.

Labbadia ist ein junger Trainer in seinem zweiten Bundesligajahr. Er bringt vieles mit und bräuchte Zeit zur Reife. Vielleicht erlebt der HSV diesen Prozess, wenn er länger an Labbadia festhält. Wahrscheinlich ist das nicht mehr.

Labbadia hat durch seinen Hang zur Besserwisserei und damit einhergehende Kritikunfähigkeit sowie seine Leverkusener Vorgeschichte erstaunlich wenig Kredit bei Fans, Umfeld und Medien. Es ist allerdings unfair, unzufriedenen Ersatzspielern wie Piotr Trochowski Gehör zu schenken, wenn sie auf Labbadia schimpfen. Das sind Alltäglichkeiten der Liga. Beim HSV werden sie deswegen groß, weil kein Sportchef da ist, der Labbadia entlastet. Selbst der zielstrebige Labbadia hat inzwischen gemerkt, wie viel Energie es kostet, Trainer und Manager zu sein. Zugeben würde er das nie. Man könnte es ihm als Schwäche auslegen.

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