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© dpa

Hammerwerfen: Wenn der Vater mit dem Sohne

Der deutsch-russische Hammerwerfer Sergej Litwinow muss sich wegen seines Vaters und Trainers verteidigen. Sergej Litwinow senior betreute gedopte Athleten.

Natürlich, der Heimvorteil spielte schon auch eine Rolle. Markus Esser konnte quasi vor der eigenen Haustür werfen, das Stadion in Leverkusen kennt er ja gut. Der Hammerwerfer Esser startet für Bayer Leverkusen, und in Leverkusen hat er am Freitagabend mit 76,66 Metern gewonnen. Eigentlich wollte er bei dem Meeting mehr als 79 Meter werfen, aber er fühlte sich ausgelaugt. Das harte Training der letzten Wochen. Andererseits: „Man hat ja nicht oft die Möglichkeit, vor Freunden und der Familie zu werfen. Das hatte für mich heute oberste Priorität“, sagte er leichtathletik.de.

Dass er Sergej Litwinow besiegte, das hatte zumindest eine sehr hohe Priorität. Der Deutsch-Russe Litwinow belegte mit 76,05 Metern nur Rang drei. Bei den deutschen Meisterschaften in Ulm hatte der 23-Jährige den Rivalen Esser noch besiegt. Das hatte den Leverkusener einigermaßen geschmerzt.

Sie liefern sich in dieser Saison einige spannende Duelle, der erfahrene Esser und der Aufsteiger Litwinow. Der Jüngere sieht das eher gelassen. „Ein richtig guter Hammerwerfer wird man erst mit 26 Jahren“, sagt Litwinow, um dessen Hals ein silbernes Kreuz baumelt. Er hat es zur Taufe erhalten, es bringt ihm auch Glück. „Und ich habe im Kraftbereich noch einige Reserven.“

Dem deutschen Hammerwerfen kann dieses Duell nur gut tun, Esser war national zuletzt doch die dominierende Figur gewesen. Zwischen 2006 und 2008 hatte er jeweils die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Aber jetzt kommt dieser junge Sportsoldat, der zwei Staatsbürgerschaften besitzt, in einer Kaserne in Mainz wohnt, für die LG Eintracht Frankfurt startet und sagt: „Ich betrachte die jetzige Zeit als Lehrjahre.“

Aber für die Weltmeisterschaft in Berlin hat er sich bereits qualifiziert. In Halle an der Saale hatte Litwinow den Hammer 77,53 Meter weit geschleudert, bei der Militär-WM in Sofia kam er noch ein paar Zentimeter weiter. Die WM-Norm von 77,50 Meter jedenfalls hatte er, wie vorgeschrieben, zweimal übertroffen. In Schönebeck kam er dann sogar noch einmal über die Normweite. Er entwickelte dadurch ein gesundes Selbstbewusstsein. Nach seinem Sieg in Ulm über Esser verkündete er: „Ich war zuversichtlich. Ich habe mich nicht schwächer als Markus eingeschätzt.“

Das mag Esser nicht gefallen, Bundestrainer Michael Deyhle aber registriert befriedigt, dass Litwinow Kampfgeist zeigt. Andererseits: Er kennt das ja, er betreut den 23-Jährigen zugleich. Deyhle ist einer der beiden Trainer von Sergej Litwinow. Der zweite heißt auch Sergej Litwinow. Es ist der Vater des 23-Jährigen. 1988 wurde Litwinow senior Olympiasieger im Hammerwurf, zweimal gewann er auch den WM-Titel. Im Winter, wenn er in Weißrussland lebt, trainiert Litwinow junior in der Gruppe seines Vaters. Die Zusammenarbeit zwischen Deyhle und Vater Litwinow kam auf Wunsch des Olympiasiegers zustande. Oft reden die Trainer nicht miteinander, aber wie Deyhle der „Frankfurter Rundschau“ mitteilte, ist das auch gar nicht nötig. „Wenn wir uns einmal im Jahr austauschen, ist das absolut ausreichend.“

Aber die Personalie Litwinow senior ist auch ein wenig heikel. Er betreute unter anderem Tatjana Lysenko. Die Weltrekordhalterin aus Russland hat bis vor wenigen Tagen eine zweijährige Dopingstrafe verbüßt. Und bei den Olympischen Spielen 2008 betreute er den Weißrussen Iwan Tichon, der Bronze gewann, die Medaille wegen erhöhter Testosteronwerte aber wieder abgeben musste. Da war natürlich schnell der Gedanke da: Hat der Junior vielleicht auch?

Der Junior hat mit einer vehementen Verteidigung reagiert. Sein Vater habe ihm klar gemacht, dass man Topleistungen dopingfrei erreichen könne, eine sehr gute Technik vorausgesetzt. Litwinow forderte zudem zusätzliche Urinkontrollen bei sich. Alles mit dem Ziel, Sauberkeit zu beweisen.

Aber bei der WM werden sich die Deutschen ohnehin auf Esser konzentrieren. Jedenfalls erwartet Litwinow das, trotz seines Selbstbewusstseins. „In Berlin“, sagte er in Ulm, „kann man von Markus mehr erwarten.“

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