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Sport: Heißes Eis

Wegen der Streikpause in der NHL ist die Eishockey-WM wirklich mal das Turnier der Besten

Frühling in Wien. 25 Grad sollen es am Wochenende werden, Tendenz steigend. Der „Kurier“ empfiehlt auf seiner Titelseite schon mal die schönsten Biergärten, und bis auf ein paar spärlich über die Ringstraße verteilte Plakate deutet wenig darauf hin, dass hier in den kommenden zwei Wochen eine Eishockey-Weltmeisterschaft stattfindet. Auch in der Stadthalle hat es angenehme Temperaturen, so angenehme, dass am Mittwoch schon mal die Eisfläche zu tauen begann. Das wäre wohl nicht weiter aufgefallen, hätte nicht zur selben Zeit Österreich gegen die Schweiz gespielt, zwei Drittel lang, bis ein Fußballgroßes Loch im Eis zum Abbruch zwang. Technische Probleme, nicht weiter dramatisch, ließ der Hallenchef mitteilen, „die WM ist nicht in Gefahr“.

Das Tauwetter von Wien umrahmt eine Weltmeisterschaft, wie es sie in dieser Qualität noch nie gab. Das verdanken die österreichischen Organisatoren dem Arbeitskampf in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL). Wann immer zuletzt ein WM-Turnier stattfand, litt es darunter, dass zur gleichen Zeit im Mai in der besten Eishockey-Liga der Welt noch die Play-offs stattfanden. Nun aber wird in Nordamerika seit einem Jahr nicht gespielt, sondern um einen neuen Tarifvertrag gestritten, so dass die Weltmeisterschaft tatsächlich das Turnier der Besten der Welt ist. Mit dabei sind Stars wie der Tscheche Jaromir Jagr, der sonst für eine Jahresgage von elf Millionen Dollar bei den New York Rangers stürmt und sich zuletzt in der russischen Liga bei Avangard Omsk fit hielt. Ilja Kowaltschuk wechselte für ein Jahr von den Atlanta Thrashers zu AK Bars Kasan. Er gilt als größtes Talent des russischen Eishockeys seit alten Sowjetzeiten und als Symbol der Hoffnung, die Sbornaja möge doch bitte anknüpfen an die Erfolge eben dieser Zeiten. Die WM sieht auch Stars, die zuletzt gar nicht gespielt haben, etwa den US-Amerikaner Mike Modano (Dallas Stars) oder Kanadas Torhüter Martin Brodeur (New Jersey Devils).

Paradox ist die Situation für die deutsche Mannschaft. Gerade wegen der Pause in der NHL hätte sie in der besten Formation der vergangenen Jahre spielen können, doch es blieb beim Konjunktiv: Olaf Kölzig von den Washington Capitals, einer der besten Torhüter der NHL, verletzte sich bei den Berliner Eisbären. Marco Sturm, Topstürmer der San Jose Sharks, litt nach einer harten Saison in Ingolstadt unter den Spätfolgen eines Beinbruchs und unterzog sich einer Operation. Und der Mannheimer Jochen Hecht (sonst Buffalo Sabres) läuft am Sonntag beim ersten Vorrundenspiel mit einer Handverletzung auf.

Fast trotzig verweist Bundestrainer Greg Poss darauf, dass er doch noch zwei andere NHL-Spieler im Aufgebot habe. Fast jedenfalls: „Wenn in der NHL keine Pause gewesen wäre, hätten Christian Ehrhoff und Marcel Goc in der NHL gespielt.“ Das ist sogar sehr wahrscheinlich, doch es nutzte dem 22 Jahre alten Verteidiger Ehrhoff und dem 21 Jahre alten Stürmer Goc nichts: Sie durften als junge Profis wie viele Kollegen aus der NHL nicht nach Europa wechseln, sondern mussten die Saison im Farmteam der San José Sharks in der American Hockey League (AHL) spielen. Dort ist ein anderer Nationalspieler noch in den Play-offs beschäftigt: Dennis Seidenberg von den Philadelphia Phantoms, der zurzeit beste deutschen Verteidiger.

Die jüngsten Testergebnisse der Deutschen aber waren so schlecht nicht, es gab sogar einen bemerkenswerten 2:0-Erfolg gegen den WM-Zweiten Schweden. Am Donnerstag gab es im letzten Test ein 1:3 gegen die stark besetzten US-Amerikaner. Tags darauf erfuhr die Mannschaft auf der Anreise nach Wien vom tauenden Eis in der Stadthalle. Wegen der Reparaturmaßnahmen sollte das für den Nachmittag geplante Training in die kleinere Nebenhalle verlegt werden. Bundestrainer Poss verzichtete dankend und gab der Mannschaft frei.

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