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Sport: Heldin für eine Turnierwoche

Miriam Schnitzer war vor zwei Jahren die große Überraschung bei den German Open in Berlin

Berlin. Die Geschichte von Miriam Schnitzer spielt zu großen Teilen in Berlin, ja sie endet sogar in Berlin, aber angefangen hat diese Geschichte eigentlich in Mainz. Vor zweieinhalb Jahren gewann Schnitzer dort die deutschen Hallenmeisterschaften. Das Turnier spielt eigentlich keine Rolle. Es ist so unbedeutend, dass der finanziell klamme Deutsche Tennis-Bund in diesem Jahr sogar darüber nachgedacht hat, die nationalen Meisterschaften ganz ausfallen zu lassen. Und damit für die Spielerinnen überhaupt ein Anreiz besteht, an diesem Turnier teilzunehmen, bekommt die Siegerin nicht nur einen schönen Pokal, sondern auch einen Startplatz bei den German Open in Berlin.

Im Nachhinein war das für Miriam Schnitzer so, als hätte ihr jemand einen ausgefüllten Lottoschein in die Hand gedrückt. Man erwartet nicht viel, aber dann kommt der Samstag, die Ziehung, die erste Zahl stimmt, die zweite, und am Ende sind es fünf Richtige. Schnitzer war im Mai 2001 die 182.- beste Tennisspielerin der Weltrangliste. Die Position hätte nicht einmal dazu berechtigt, an der Qualifikation für das Hauptfeld der German Open teilzunehmen, aber als das Turnier in die entscheidende Phase ging, war Schnitzer immer noch dabei. Bis ins Viertelfinale hat sie es damals geschafft.

Miriam Schnitzer hat sich in dieser Woche wieder in die große Tenniswelt begeben – als Zuschauerin. In München ist sie beim ATP-Turnier der Männer gewesen. Schnitzer selbst arbeitet inzwischen in Ingolstadt als Tennislehrerin, sie spielt noch in der Zweiten Bundesliga, aber die große Karriere hat sie im vorigen Jahr beendet. Ihr letztes Turnier waren die German Open 2002. Sie verlor in der ersten Runde, im dritten Satz, im Tie-Break. „Echt Pech“ sei das gewesen.

In der Musikbranche spricht man bei diesem Phänomen von einem One-Hit-Wonder. Seitdem Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich ihre Karrieren beendet haben, hangelt sich das deutsche Tennis von One- Hit-Wonder zu One-Hit-Wonder: von Schnitzer zu Müller zu Roesch, von Popp zu Burgsmüller zu Waske. Niemand hat seit Beckergrafstich die Charts über Monate angeführt. Wer bei einem Turnier drei Runden übersteht, manchmal zwei, in vielen Fällen auch nur eine, der hat gute Chancen, Letzter Deutscher oder Letzte Deutsche zu werden – und von den Medien als neue deutsche Tennishoffnung gefeiert zu werden.

Bei Miriam Schnitzer war das ein bisschen schwierig. Als sie im Mai 2001 zur Heldin für eine Turnierwoche wurde, war sie schon 24. Trotzdem standen die Geschichten über sie „in jedem kleinen Bladl drin. Wenn du die ,Bild’-Zeitung aufschlägst, siehst du dich auf Seite zwei mordsgroß neben der Williams.“ Schnitzer arbeitete sich damals von einem Nebenplatz über Court B auf den Centre Court hoch, und auf einmal musste sie sogar Interviews fürs Fernsehen geben. „Das war ja Wahnsinn.“ Justine Hénin sagte nach dem Viertelfinale gegen Schnitzer: „Ich kannte sie vor dem Turnier gar nicht.“

Schnitzer hat damals gedacht: „Jetzt hast du den Durchbruch geschafft.“ Sie machte 60 Plätze in der Weltrangliste gut, reiste nach Paris zu den French Open – und scheiterte in der Qualifikation. Bei ihrem letzten Spiel „war die ganze Tribüne voll“, und sie hörte die Leute sagen: Schau mal, das ist die Schnitzer, die im Viertelfinale gestanden hat. „Da war ich schon nervös.“

Den Durchbruch hat sie dann doch nicht geschafft. Voriges Jahr stolperte Schnitzer im Training über einen Tennisball und zog sich einen doppelten Bänderriss zu. Sie musste pausieren, wieder von vorne anfangen – und holte sich in ihrem Übereifer eine Sehnenscheidenentzündung. Schnitzer hatte das Gefühl, „zwei Monate für nichts“ gearbeitet zu haben. Sie hätte sich über kleinere Turniere wieder nach oben kämpfen müssen, aber dazu hatte sie keine Lust mehr. Sie hat einfach aufgehört. „Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen können“, sagt Miriam Schnitzer.

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