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Jung, frisch, dynamisch. Arne Maier (rechts) ist erst 18, interpretiert seine Rolle als Sechser aber mit der Gelassenheit eines 36-Jährigen.

© Odd Andersen/AFP

Hertha BSC: Die Jungen mischen die Mannschaft auf

Vor allem die jungen Talente wirken erfrischend positiv auf das Spiel von Hertha BSC ein. Eine Analyse.

Einen Vorteil hatte es dann doch noch, dass das Olympiastadion am Donnerstagabend nur zu 27,43 Prozent gefüllt war. Da der westliche Teil der Arena nach dem Abpfiff komplett leer war, mussten die Fußballer von Hertha BSC nach ihrem 2:0-Erfolg gegen Sorja Luhansk keine Ehrenrunde drehen, sondern nur eine Ehrenhalbrunde. Erst an der Mittellinie starteten sie ihren Weg. Aus Gründen der Kraftersparnis war das eine gute Entscheidung. Nur 67 Stunden nach dem Europa-League-Spiel müssen die Berliner schon wieder in der Bundesliga ran.

Dardai bereitet seinen Nachwuchs gründlich vor

Auch Trainer Pal Dardai hatte das Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg schon im Kopf, als er seine Mannschaft für das vorentscheidende Europa-League-Spiel gegen Luhansk komponierte. Der Ungar schickte eine punktuell verstärkte B-Elf aufs Feld, damit er in Wolfsburg ausgeruhte Kräfte aufbieten kann. Nach der Begegnung vom Donnerstag darf man ruhig die Frage stellen, ob das eine gute Idee ist. Der Auftritt der Reservisten war so erfrischend unroutiniert, dass Hertha-Fans unbedingt mehr davon sehen möchten. Doch solche Hoffnungen bleiben wohl zumindest am Sonntag unerfüllt. „Diese Jungs brauchen noch Geduld“, sagte Dardai. „Es ist schwierig, diese Leistung regelmäßig rauszukitzeln.“

Dardai kommt aus dem Nachwuchs, er besitzt ein Faible für die Förderung junger Leute und hat kein Problem damit, Hertha als Aus- und Weiterbildungsverein zu bezeichnen. Vor der Saison hat er ausgiebig geschildert, dass die Talente in dieser Saison der Mehrfachbelastung zwangsläufig auf ihre Einsätze kommen würden. Die Realität aber sah bis Donnerstag anders aus. Dardai ist keiner, der seine Jungs ins tiefe Wasser schmeißt und dann mit den Achseln zuckt, wenn sie ertrinken. Wer bei ihm ins Schwimmerbecken will, muss mindestens das Seepferdchen vorweisen. All die, denen der Ungar mit dieser Haltung immer schon ein bisschen zu vorsichtig vorgekommen ist, dürften sich nach dem Spiel gegen Luhansk in ihrer Einschätzung bestätigt fühlen.

„Es war ein Riesenabend heute“, sagte Davie Selke, der mit seinen beiden Toren erheblich zum Gelingen beigetragen hatte. Mit seinen 22 Jahren gehörte Selke vom Alter her schon zum Mittelbau des ungewohnt jungen Teams. Die noch Jüngeren, so Selke, hätten es riesig gemacht und ganz abgezockt gespielt. „Heute sind wir alle stolz, dass die so eine Leistung gebracht haben“, sagte Dardai. „Alle Jungen haben richtig gut gespielt. So lohnt es sich, an der Europa League teilzunehmen.“

Die Jungen brechen die Ordnung auf

Gemeint waren Maximilian Mittelstädt, 20, der zum ersten Mal in dieser Saison bei den Profis ran durfte, Jordan Torunarigha, ebenfalls 20, der seine Aufgabe in der Innenverteidigung ausgesprochen offensiv interpretierte. Und vor allem der erst 18 Jahre alte Arne Maier, der im defensiven Mittelfeld mit der Gelassenheit eines 36-Jährigen auftritt. „Er ist ein super Spieler, hat die Ruhe am Ball“, sagte Per Skjelbred. „Er macht einfach sein Spiel. Mehr kann man nicht verlangen.“

Maier bringt alles mit, was man als Sechser benötigt: Er ist ballsicher, lauffreudig und spielintelligent. Weil er am liebsten permanent den Ball hätte, bietet er sich ständig an. „Wenn wir Chancen kreieren, weiß man: Er ist dabei“, sagte Skjelbred. Maiers Werdegang in dieser Saison ist geradezu prototypisch für Dardais Umgang mit Talenten. Man muss den richtigen Zeitpunkt abpassen, um sie zu bringen. Dann aber dürfen sie sich als vollwertige Mitglieder des Kaders fühlen. Maier wurde von Dardai im Hinspiel gegen Luhansk zum ersten Mal in dieser Saison aufgeboten. Seitdem ist er in allen fünf Pflichtspielen zum Einsatz gekommen.

Herthas Spiel zeichnet sich durch eine stabile Ordnung aus. Kritiker behaupten: Es sei in Ordnung erstarrt. Gegen Luhansk wurde diese starre Ordnung mit jugendlichem Elan aufgebrochen. Das wirkte befreiend, auch wenn die taktische Disziplin ein wenig zu kurz kam. „Hawaii-Fußball“ nannte Per Skjelbred die Anfangsphase: Alles easy, Mann! Bezeichnend war die Vorarbeit zu Herthas erstem Tor, als bei Torunarigha nach eigener Einschätzung die Stürmergene durchkamen. Der Innenverteidiger legte den Ball an der Torauslinie der Ukrainer mit der Hacke auf Mittelstädt ab, dessen Flanke vollendete Selke per Kopf zum 1:0. „Man sieht, dass von unten was nachkommt“, sagte Mittelstädt. Und trotzdem wirkte es fast ein bisschen so, als sei Dardai zu seinem Glück gezwungen worden. Später erzählte er, dass seine Frau ihm gesagt habe: „Lass die jungen Spieler ruhig spielen. Sie werden dich nicht im Stich lassen.“ Vielleicht sollte Pal Dardai häufiger auf seine Frau hören.

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