zum Hauptinhalt
Haltlos auf Schalke. Hertha wollte wohl zu viel.

© Reuters/Faßbender

Hertha BSC nach dem 1:2 bei Schalke 04: Übermut in Unterzahl

Das 1:2 beim FC Schalke 04 zeigt, dass Hertha BSC doch noch die nötige Cleverness fehlt, um ein Spitzenteam in der Bundesliga zu sein.

Kurz nach zehn Uhr bat Pal Dardai am Sonntag seine Spieler zum Kreis auf den Trainingsplatz. Das macht Herthas Trainer am Tag nach einem jeden Spiel immer so. Er richtet ein paar Worte an die Gruppe und wie üblich beginnt er mit den Dingen, die nicht so gut gelaufen oder ihm aufgestoßen sind. Und wie immer schließt der Übungsleiter seine verbale Spiel-Nachbetrachtung, indem er auf die positiven Elemente verweist. Subsummiert hörte sich das gestern dann so an: „Wir müssen am Ende das 1:1 sichern. Aber meine Mannschaft wollte gewinnen. Das müssen wir noch lernen.“

Einen Tag nach der 1:2-Niederlage in Gelsenkirchen obsiegte schon wieder der Tatendrang. Der 39 Jahre alte Ungar ist als Trainer vieles, nur kein Schwätzer. Er denkt und fühlt noch wie ein Spieler und handelt als deren Vorgesetzter aus einer Bauch-Kopf-Mischung. Dardai kommt seinen Spielern auf die Schliche, spürt Schwingungen innerhalb der Gruppe auf und kennt bevorzugte Verhaltensmuster. Andererseits bedient sich Dardai seines Erfahrungsschatzes, seiner Alltags-Schlauheit und kommuniziert authentisch. „Ich habe Mitleid mit meiner Mannschaft gehabt. Wenn du 70 Minuten in Unterzahl diesen Aufwand betreibst und am Ende noch den einen Punkt verlierst, tut das sehr weh.“

Seine Mannschaft hatte sich wegen ihrer engagierten zweiten Halbzeit einen Punkt verdient gehabt. Aber es ist auch so, dass sie sich selbst um den Lohn gebracht hat. Nach einer guten Viertelstunde wurde Vedad Ibisevic nach einem rüden Foul des Feldes verwiesen, womit der eigentliche Matchplan hinfällig wurde. Danach kassierte die Mannschaft das schon fünfte Gegentor (von insgesamt zehn) nach einer Standardsituation (Ecke). Nach dem verdienten Ausgleich durch Salomon Kalou spielte Dardais Mannschaft weiter auf Sieg – und wurde bestraft. Man mag es naiv nennen, oder unclever, aber das gehört wohl zum Wachstumsprozess der Berliner Mannschaft. „Eigentlich ist das nicht schlimm, ist halt eine junge Mannschaft“, sagte Dardai. „Aber man muss aus seinen Fehlern lernen.“

Interessanterweise hinterfragte Pal Dardai sich selbst im Kreise seiner Mannschaft. „Vielleicht mache ich was falsch?“

Haltlos auf Schalke. Hertha kämpfte in Gelsenkirchen, glich den Rückstand aus, wollte dann aber zu viel und verlor am Ende. F
Haltlos auf Schalke. Hertha kämpfte in Gelsenkirchen, glich den Rückstand aus, wollte dann aber zu viel und verlor am Ende. F

© Reuters/Fasßbender

Gerade mit seiner energischen Art hat Herthas Rekordspieler diese Mannschaft aus ihrer Lethargie gerissen. Er hat ihr einen positiven Geist eingehaucht und ihr den Glauben an die eigenen Stärken vermittelt. Die Mannschaft folgt ihm, auch weil sie fühlt und sieht, dass dieser Weg richtig ist. Die Ergebnisse stärken das Selbstvertrauen und machen selbstbewusst. Doch es fällt der Mannschaft bisweilen schwer, die Balance zu finden zwischen Unerschrockenheit und Übermut. Er sei ja froh, sagte Dardai, wenn Ibisevic mit seinen 31 Jahren derart motiviert sei, dass er der Mannschaft auf Höhe der Mittellinie helfen wolle. Aber „er darf da nicht so hingehen“, zumal Herthas erfolgreichster Torschütze nun auch für ein paar weitere Spiele gesperrt werden wird. Wie üblich in solchen Fällen hat auch der Bosnier einen hübschen Betrag der Mannschaftskasse zuzuführen, doch das wird keine Abhilfe schaffen.

„Wir sind mitten in einem Lernprozess“, sagte Dardai. Gemünzt auf das jüngste Spiel: „Wir müssen lernen, in der Endphase eines Spiels auch mal ein Unentschieden zu akzeptieren.“

Warum seine Mannschaft in der Endphase auf Schalke trotz Unterzahl zum Übermut neigte, hat der Trainer noch nicht abschließend ergründet. Möglicherweise, so der Ungar, habe er in den Tagen zuvor zu viel über einen Auswärtssieg gesprochen und seine Mannschaft übermäßig angestachelt. „Vielleicht waren die Spieler zu hungrig“, sagte Dardai.

Anderseits lebt die Mannschaft von dieser neuen mutigen und selbstbewussten Herangehensweise. „Es ärgert uns alle, weil wir etwas liegen gelassen haben“, sagte Fabian Lustenberger. Herthas Kapitän, dem sich in der Endphase selbst noch eine gute Tormöglichkeit bot, sprach von der „Gunst der Stunde“, die in den Schlussminuten „eher auf unserer Seite war“. Das habe die Mannschaft wohl verführt. Leider habe man es dann verpasst, den letztlich entscheidenden Gegenangriff der Schalker „früher zu unterbinden“. Die Möglichkeit dazu hat mindestens zweimal bestanden. „Hier müssen wir einen Tick cleverer werden“, sagte Lustenberger. Wichtig sei aber jetzt, nicht gleich wieder alles infrage zu stellen.

Bisher ist es Hertha noch nicht gelungen, einen großen Gegner zu schlagen. In Dortmund, in Wolfsburg und nun auf Schalke war man jeweils knapp unterlegen. „Wir werden weiter daran arbeiten“, sagte Pal Dardai gestern noch. Dieser Lerneffekt werde sich schon noch einstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false