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Wo ist der Ausweg? Jos Luhukay erlebt in seinem dritten Hertha-Jahr seine schwierigste Phase. Der Niederländer hat viele seiner Wunschspieler erhalten, aber daraus noch kein stabiles und widerstandsfähiges Gebilde formen können.

© picture alliance / dpa

Krisenjahr 2014: Hertha BSC und die unendliche Rückrunde

Trotz personeller Umwälzungen hält Herthas sportlicher Abschwung seit einem Jahr an. Und das schwere Restprogramm stellt für den Jahresausklang wenig Besserung in Aussicht.

Neulich hat Joachim Löw auf eher unangenehme Weise Bekanntschaft mit dem Berliner Straßenverkehr gemacht – und gewissermaßen auch mit Hertha BSC. Sowohl die Anfahrt als auch die Abfahrt zum Training der Nationalmannschaft, das im Amateurstadion des Bundesligisten abgehalten wurde, verzögerten sich erheblich. Normales Großstadtproblem, könnte man meinen.

Zu Beginn der laufenden Spielzeit war der Bundestrainer gleich zweimal im Olympiastadion zu Gast, er wollte sich mal ganz allgemein ein Bild von der neuen Hertha machen und nebenbei auch einen besonderen Blick auf Nico Schulz werfen. Gute Linksverteidiger mit deutschem Pass sind eine echte Seltenheit im Land des Weltmeisters. Vor allem aber war er gespannt, wie sich der Aufsteiger des Vorjahres nun schlagen würde. Löw wurde enttäuscht. Das würde der Bundestrainer so nie sagen, er drückte es andersherum aus. „Hertha hat in der Hinrunde der vergangenen Saison wirklich guten Fußball gespielt, da sah nichts nach Zufall aus“, sagte Löw. Der 54-Jährige bescheinigte dem Aufsteiger aus Berlin eine famose Reife. „Hertha hat damals besser gespielt als andere Vereine, die länger in der Bundesliga dabei sind. Ich war schon überrascht, wie sie es gemacht haben. Das wirkte in der Spielanlage stabil.“

Das Dumme ist, dass Hertha davon nicht viel mit ins Jahr 2014 transferieren konnte. Zwischen der formidablen Hinrunde 2013/14, die Hertha mit 28 Punkten auf Platz sechs beendete, und der Jetztzeit liegt eine erschreckend schwache Rückrunde der Vorsaison mit nur 13 Punkten (Torverhältnis 13:28). Nur die Hinrunde verhinderte Schlimmeres, Hertha hielt die Klasse letztlich sicher.

Doch gerade die grauenhafte Rückrunde ragt tief in die aktuelle Spielzeit hinein. Man könnte auch sagen: Die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay spielt immer noch Rückrunde.

Das ist umso deprimierender, weil der Verein im Sommer glaubte, die Antwort darauf gefunden zu haben. Der Kader wurde kräftig umgewälzt. Hertha hat neun neue Spieler verpflichtet, nur fünf Bundesligisten gaben in diesem Zeitraum mehr Geld für Transfers aus. Eingebracht hat es wenig bis Ärger.

„Ich mag keine saisonübergreifenden Statistiken“, sagte Herthas Präsident Werner Gegenbauer kürzlich den Klubmitgliedern, als er auf die Bilanz des Jahres 2014 angesprochen wurde. In dieser Disziplin sind nur der HSV und der VfB Stuttgart noch schwächer. Lächerliche sechs Siege gelangen den Berlinern saisonübergreifend – der sportliche Abschwung dauert also schon ein knappes Jahr an. Sollte sich dieser Trend bis Weihnachten fortsetzen, was bei dem happigen Restprogramm (FC Bayern, Mönchengladbach, Dortmund, Hoffenheim) nicht unmöglich scheint, könnte Hertha eine ähnlich schwache zweite Jahreshälfte hinlegen, wie es die erste war. Derzeit steht Hertha bei elf Punkten (Torverhältnis 15:21).

Hertha muss jetzt Punkte sammeln, am ehesten scheint das noch kommenden Samstag beim Aufsteiger in Köln möglich. Doch es fehlen die Mutmacher. Hertha hat nach elf Spieltagen die schlechtesten Zweikampf- und Passquoten der gesamten Liga aufzuweisen. Grundsätzlich ist keine konkrete Spielanlage erkennbar, die Mannschaft spielt überwiegend mutlos. Ihr fehlen Sicherheit, Zutrauen und Widerstandsfähigkeit.

Der personelle Umbruch im Sommer fiel zu gravierend aus, er streute Unsicherheit und störte den Binnenfrieden. Zudem wurde der Kader in der Breite verstärkt, nicht aber in der Spitze. Hinzu kommen lange Ausfälle, insbesondere die von Sebastian Langkamp und Tolga Cigerci. Die Integration der Neuen ist nicht vollzogen. Und die Leistungsträger der Vorjahres sind entweder verkauft (Adrian Ramos), nicht in Form (Hajime Hosogai) oder verletzt (Peter Pekarik, Fabian Lustenberger).

Wann Joachim Löw wieder mal ins Olympiastadion kommt, konnte er nicht sagen – oder wollte es nicht sagen.

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