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Sport: Hertha kippelt

Die Berliner müssen gegen Bayern verhindern, dass sich ihr Negativtrend weiter verfestigt

Berlin - Herthas Kapitän ist angeschlagen. Arne Friedrich hat Schmerzen an der Patellasehne. Ob er deshalb gegen Bayern München ausfällt? „Irgendwie werde ich das wieder hinkriegen“, sagt Friedrich. Der Kapitän darf einfach nicht fehlen, dafür ist das Bundesligaspiel gegen den Rekordmeister zu wichtig für Hertha BSC. „Es ist eine Chance“, sagt Friedrich. Die Chance, einen Trend zu stoppen, der zuletzt nicht unbedingt für die Berliner sprach. Seit der Winterpause hat die Mannschaft nur fünf Tore erzielt, von den sieben Pflichspielen hat Hertha gerade zwei gewonnen, und drei der letzten vier gingen verloren, zuletzt das Viertelfinale des DFB-Pokals beim VfB Stuttgart.

Eine bisher gute Saison droht, ins Negative zu kippen. „In der Vorrunde hatten wir eine hervorragende Mannschaft auf dem Platz“, sagt Manager Dieter Hoeneß. Hertha spielte zum Teil erfreulich offensiv, vor allem aber so erfolgreich, dass zumindest Trainer Falko Götz im Winter von der offiziellen Vereinslinie abwich. Die Berliner hatten im Sommer kein konkretes Saisonziel benannt, stattdessen offensives Spiel und die Entwicklung der jungen Spieler als Parameter für den Erfolg ausgegeben. Doch auch gemessen daran hat Hertha zuletzt nicht überzeugt. In Stuttgart vertraute Götz auf den 33 Jahre alten Andreas Schmidt, zudem wurde im Januar der Brasilianer Mineiro verpflichtet, der auch schon 31 ist. Einige junge Spieler sind deshalb unzufrieden. Die Entscheidung von Ashkan Dejagah, Hertha im Sommer zu verlassen, sagt eigentlich alles: Der 20-Jährige sieht in Wolfsburg eine bessere Perspektive als bei dem Verein, der sich so exzessiv für seine Nachwuchsarbeit eigenlobt.

Das Hickhack um Dejagah, der suspendiert wurde, später begnadigt und heute gesperrt fehlt, passt ins Bild, das Hertha derzeit abliefert: Ein bisschen konfus geht es zu, auch auf dem Platz. Wofür steht die Mannschaft eigentlich? Auch nach zwei Dritteln der Saison ist diese Frage nur schwer zu beantworten. Dafür dass Hertha jung sein will, spielt das Team eigentlich nicht wild genug; richtig abgezockt ist die Mannschaft aber auch noch nicht, sonst würde sie sich nicht gerade in wichtigen Spielen immer wieder unerklärliche und unentschuldbare Fehler leisten.

Manager Hoeneß sieht die Mannschaft in einer Situation, „die wir jetzt richtig bewältigen müssen“. Von einer Krise wollen die Berliner noch nicht sprechen. Das könnte sich ändern, wenn Hertha gegen Bayern verliert. Zumindest wird der Druck dann enorm hoch – und bisher haben die Berliner nicht gezeigt, dass sie damit besonders gut umgehen können. „Wir haben nicht die Mannschaft, die man mit Druck zu einer Trotzreaktion zwingen kann“, sagt Hoeneß. Am Tag nach dem Pokalaus saßen Trainer, Manager und Mannschaft mehr als eine Stunde zusammen, um die Situation zu analysieren. Anstatt auf die Spieler einzuschlagen, wollten Hoeneß und Götz einen Selbstreinigungsprozess in Gang setzen. „Wir haben eine ganze Reihe von sehr erfahrenen Spielern, die prädestiniert sind, solche Dinge zu initiieren“, sagt Hoeneß. „Aber offensichtlich ist die Mannschaft noch nicht so weit, dass es von selbst kommt.“ Banale Dinge seien es, die die Spieler wieder beherzigen müssten, Kleinigkeiten, „die in der Summe eine besondere Wirkung haben“. Mehr Gemeinsinn, größere Entschlossenheit, gegenseitige Unterstützung, eine positive Körpersprache.

Vielleicht sind die Bayern tatsächlich der richtige Gegner, der dies bei den Berlinern auslösen kann. „Irgendeine Mannschaft aus dem unteren Tabellendrittel wäre ein größeres Risiko“, sagt Hoeneß. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass Hertha heute mutig nach vorne stürmt. Es werde „kein offensives Feuerwerk“ geben, sagt der Manager. Wieder nicht. Trainer Götz gerät ohnehin immer stärker unter Verdacht, zu vorsichtig zu sein, entgegnet auf solche Vorwürfe allerdings, in allen Heimspielen dieser Saison zwei Stürmer aufgeboten zu haben. Auswärts aber stellt Herthas Trainer die Taktik seiner Mannschaft meistens auf den jeweiligen Gegner ab. Anders als die Spitzenmannschaften Schalke, Bremen, Stuttgart oder der 1. FC Nürnberg, der die Berliner vom fünften Platz verdrängt hat, hat Hertha kein eigenes Spielsystem, das die Mannschaft ohne Wenn und Aber durchzieht. Gerade das aber wäre der Ausdruck für ein gewisses Gefühl der Unantastbarkeit.

Davon ist Hertha zurzeit weit entfernt. Die Mannschaft befindet sich in einer ebenso gefährlichen wie paradoxen Situation: Gegen Bayern benötigen die Berliner einen Sieg, damit der Abstand auf Platz fünf nicht noch größer wird. Allerdings dürfen sie auch nicht verlieren, weil das die vorhandene Verunsicherung noch verstärken würde. „Es wird nicht einfach“, sagt Mittelfeldspieler Pal Dardai. „Die Bayern sind sicherlich einen Tick frischer als wir. Das Spiel in Stuttgart auf tiefem Boden steckt uns noch in den Beinen.“ Torhüter Christian Fiedler baut ein wenig darauf, dass bei einigen Bayern-Spielern schon „das Champions-League-Spiel gegen Real Madrid im Hinterkopf steckt“.

Ein Sieg gegen die Bayern könnte die Stimmung urplötzlich wieder wenden, bei einer Niederlage droht der Rest der Saison unerfreulich zu werden. „Eine schlechte Saison wird es nicht mehr“, sagt Manager Hoeneß. „Es könnte allenfalls noch eine durchschnittliche werden.“ In Berlin aber heißt durchschnittlich nichts anderes als – schlecht.

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