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Vorwärtsverteidigung. In Mainz zeigte Kraft, dass er auch außerhalb seines Strafraums stark sein kann.

© dpa

Hertha-Torwart Thomas Kraft: Mängel beim Wohlfühlfaktor

Torwart Thomas Kraft kann sich zurzeit auch deshalb auszeichnen, weil sich Hertha BSC in der Bundesliga spielerisch schwer tut.

Für einen Torhüter ist es immens wichtig, das Kreuz durchzudrücken und den Kopf oben zu halten. Manchmal auch im wahren Sinne des Wortes. Eine knappe halbe Stunde war am Sonntag in Mainz gespielt, als Shawn Parker nach einem beschwingten Spaziergang durch die Abwehr von Hertha BSC nur noch Thomas Kraft vor sich hatte. Der Torhüter von Hertha BSC drückte das Kreuz durch und streckte den Kopf heraus, um dem Stürmer des FSV Mainz 05 eine vergrößerte Trefferfläche zu bieten. Es machte sich bezahlt. Kraft konnte auf Parkers Schuss aus kurzer Distanz zwar nicht mehr reagieren, aber seine Präsenz reichte. Der Ball knallte dem Torhüter der Berliner genau ins Gesicht.

Es war auch sonst vor allem Krafts Präsenz zu verdanken, dass Hertha in Mainz nicht in Rückstand geriet und am Ende durch das 1:1 wenigstens einen Punkt ergatterte. „Thomas hat uns mehrfach im Spiel gehalten“, sagte Johannes van den Bergh. Seine spektakulärste Rettungstat vollbrachte Kraft nach gut 20 Minuten, als er 35 Meter vor seinem Tor dem Mainzer Nikolai Müller entgegengrätschte und weder den Ball noch den Körper seines Gegenspielers regelwidrig erwischte.

Von seinem Alter zählt Kraft zur jungen deutschen Torhütergeneration; seine Kritiker aber halten das Spiel des 23-Jährigen für eher altbacken. Das liegt vor allem daran, dass Kraft den Ball mit dem Fuß nicht so virtuos behandelt wie viele seiner Altersgenossen. Seine Abschläge und Abwürfe haben eine zu hohe Streuung, als Spielbeschleuniger hat sich Kraft deshalb noch nicht hervorgetan. Auch in der Strafraumbeherrschung besitzt er Defizite. Mit seiner Attacke gegen Nicolai Müller widerlegte Kraft allerdings den Vorwurf, ein defensiver Torhüter zu sein, der sich allein auf seine glänzenden Reflexe verlässt.

„Das war von seinem Stellungsspiel hervorragend“, sagte Herthas Trainer Jos Luhukay. Kraft startete von der Strafraumlinie und kam daher genau im richtigen Moment an den Ball. „Er war sehr sicher, sehr konsequent“, sagte Luhukay. „Das passte in sein ganzes Auftreten.“ Überhaupt wurde der Torhüter von allen Seiten gelobt, nur Kraft selbst wollte sich auch am Tag danach noch nicht zu seiner Darbietung in Mainz äußern. „Ich hab keine Lust heute“, sagte er, als würde er sonst jeden Tag einen ausführlichen Plausch mit den Journalisten halten. Wenn man es gut mit Herthas Torhüter meint, könnte man sagen, dass ihm der Auftritt seiner Mannschaft noch immer aufs Gemüt schlug.

Es ist ja generell kein gutes Zeichen, wenn der Torhüter als bester Mann auf dem Platz gelobt wird. Es spricht eher dafür, dass im mannschaftlichen Verbund irgendetwas nicht gestimmt hatte, und das war auch bei Herthas Auftritt in Mainz so, vor allem in der erschreckend schwachen ersten Hälfte. „In der ersten Halbzeit hatte ich ein paar emotionale Momente“, sagte Jos Luhukay. Es war eine sehr behutsame Umschreibung dafür, dass Herthas Trainer am Spielfeldrand tobte wie Rumpelstilzchens extrovertierter Bruder.

„Es passiert eigentlich ganz selten, dass Thomas sich mehrfach auszeichnen kann und muss“, sagte Luhukay. Normalerweise funktioniert das Abwehrverhalten bei den Berlinern so gut, dass beim Torwart in der letzten Reihe nur noch wenig ankommt. Dass nach dem Spiel in Mainz vornehmlich über Kraft gesprochen wurde, lag auch daran, dass sich von den Kollegen kaum jemand positiv hervorgetan hatte. „Wir befinden uns spielerisch in einer schwierigen Phase“, sagte Marcel Ndjeng, dessen Analyse vor allem auf die erste Hälfte zutraf, an der er selbst aktiv beteiligt gewesen war. Nach seiner Auswechslung zur Pause wurde es besser. Ndjengs Vertreter Ronny brachte laut Luhukay „mehr Struktur, mehr Ballsicherheit“ ins Spiel. „Er war ein Wohlfühlfaktor bei uns.“

An diesem Faktor mangelt es zurzeit ein bisschen – weil Hertha ein paar Spieler zum Wohlfühlen fehlen. Fabian Lustenberger ist inzwischen vier Wochen außer Gefecht. Gestern hat er immerhin das Lauftraining wieder aufgenommen. Und Änis Ben-Hatira kann unter Umständen schon in dieser Woche wieder mit der Mannschaft trainieren. Allein bei Tolga Cigerci ist noch keine Rückkehr abzusehen. Natürlich hingen Herthas spielerische Defizite mit dessen Abwesenheit zusammen, gab Luhukay zu. „Wir können da jetzt ein Problem draus machen, wenn wir dauernd darüber reden“, sagte er. „Aber wir müssen da kein Problem draus machen.“

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