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Nach seinen beiden Gastspielen in Dortmund (insgesamt 228 Spiele) wechselte Andreas Möller (links) zu Schalke (86). Sehr zum Missfallen der Fans.

© Imago

Dortmund gegen Schalke: Hundebisse, Kinnhaken und Nebelkerzen

Zum 93. Mal stehen sich an diesem Samstag Dortmund und Schalke in der Bundesliga gegenüber. Zehn Erinnerungen.

1. Wie alles begann

Die „Mutter aller Derbys“ wurde in den Zwanzigern geboren. Damals standen sich Schalke und Dortmund die ersten Male gegenüber. Nur hatte das Spiel noch keinen Derbycharakter. Schalke war sowieso viel besser, die Mannschaft trug sich 1934 nach der ersten Meisterschaft sogar ins Goldene Buch von Dortmund ein. Je besser Borussia sportlich wurde, desto schlechter wurde das Verhältnis. Am 18. Mai 1947 gewann Dortmund zum ersten Mal die Westfalenmeisterschaft, überhaupt erst der zweite Sieg nach 25 Derbys. Die Rivalität war spätestens zementiert, als die Schalker der anschließenden Siegerehrung fernblieben.

2. Von Tor zu Tor

„Wir sehen doch genug!“, schmetterte Schiedsrichter Gerd Hennig alle Schalker Forderungen nach Spielabbruch in der Halbzeit ab. Da stand es am 12. November 1966 bereits 4:0 für Dortmund. 25 Minuten nach Anpfiff war dichter Nebel ins Stadion Rote Erde gezogen, sodass weder die Mannschaften, noch die 43 000 Zuschauer etwas sehen konnten. Im Kommentar der Sportschau-Zusammenfassung hieß es: „Die Schalker holten dann noch zwei Tore auf. Eins hat unser Zeitlupenmann aus dem Nebel herausgefischt für sie.“ Am Ende stand ein 6:2. Schalke hatte den Spielabbruch bevorzugt, die Borussia einen ausgefallenen Plan. Nach der Führung habe die Mannschaft „immer dahin gespielt, wo es hell war und den Ball dort gehalten“, sagte der damalige BVB-Stümer Reinhold Wosab 11 Freunde. Schiedsrichter Hennig war auch Jahre später noch der Ansicht, er habe von Tor zu Tor sehen können. Auf Schalke hieß er trotzdem nur noch „Nebelkerze“.

3. Löwen an der Linie

Überhaupt gehörten die Sechziger dem BVB. Acht der ersten zehn Bundesligabegegnungen gewann Dortmund, die anderen zwei Schalke. Erst die dreizehnte Partie fand keinen Sieger, dafür aber zwei Verlierer: Gerd Neuser und Friedel Rausch, die von Wachhunden in Oberschenkel beziehungsweise Gesäß gebissen wurden. Rausch bekam eine Tetanusspritze in den Hintern und spielte durch, Neuser musste nach 75 Minuten mit Lähmungserscheinungen im Bein raus. Immerhin gab es einen Blumenstrauß und 500 Euro Entschädigung aus Dortmund. Schalke ging im Rückspiel auf Nummer sicher: Im Parkstadion patrouillierten Löwen an den Seitenauslinien. „Ein kleiner Gag“, sagte Präsident Günter Siebert.

4. Kinnhaken für Cola

Im Pokal-Achtelfinale 1988 musste sich Schalke zu Hause 2:3 geschlagen geben. Also beste Laune in Schwarz-Gelb? Nicht ganz. Zumindest nicht bei Frank Pagelsdorf. Oder er hatte das mit der Bierdusche falsch verstanden. Jedenfalls leerte der Dortmunder Mittelfeldspieler dem Bild-Reporter Jürgen Meyer im Presseraum eine Cola über den Kopf, garniert mit den Worten: „Das war mein Dank für deine guten Kritiken im letzten halben Jahr.“ Meyer revanchierte sich mit zwei wohlplatzierten Kinnhaken.

5. Zecken in der Hölle

„Zu Schalke würde ich nie gehen. Die hasse ich wie die Pest“, sagte Kevin Großkreutz einmal. Ganz so eng nahmen es einige andere vor und nach ihm hingegen nicht. 24 Profis spielten bislang für beide Vereine. Stan Libuda zum Beispiel, Ehrenspielführer und Jahrhundertelf-Rechtsaußen auf Schalke, schoss zwischendurch den BVB zum Europapokal-Sieg. Andi Möller hatte es da schwerer, sein Wechsel 2000 von Dortmund nach Schalke war für beide Seiten ein Sakrileg. Die „Zecke Möller“ wurde von den Schalke-Fans auf Spruchbändern in der „blau-weißen Hölle“ willkommen geheißen. So laut wie bei seiner ersten Rückkehr ins Westfalenstadion gepfiffen wurde, hörte man es vermutlich noch an der Nordsee. Möller war es egal – Schalke gewann 4:0. Unter anderem, weil Jens Lehmann im Dortmunder Tor beim Abschlag patzte.

Weihnachtsmänner, Herzensbrecher und Aufholjagden

6. Kopfball vom Weihnachtsmann

Auch der ehemalige deutsche Nationaltorhüter spielte mal auf Schalke und gewann mit den „Eurofightern“ 1997 den Uefa-Cup. In der darauffolgenden Saison kam es dann zum Duell mit Champions-League-Sieger Dortmund. Als wäre das noch nicht genug Spektakel, musste Lehmann noch einen draufsetzen. 34 Bundesligasaisons waren gespielt, fast 33 000 Tore gefallen. Und dann machte Lehmann ausgerechnet im Derby Sekunden vor Schluss per Kopf das erste Torwart-Tor aus dem Spiel heraus. Das Kunststück konnten bis heute nur zwei Keeper nachmachen. BVB-Chef Gerd Niebaum war es egal: „Da kommt so ein Weihnachtsmann daher und bringt uns um den Erfolg“, wetterte er in Anspielung auf den Schiedsrichterassistenten, der fälschlicherweise auf Ecke für Schalke entschieden hatte.

7. Meister der Herzensbrecher

Nach 49 Jahren konnte Schalke 2007 endlich mal wieder Meister werden, als Tabellenführer wollte der Klub am vorletzten Spieltag beim Erzrivalen alles klar machen. Was sollte auch schiefgehen? Bei den 18. vorangegangen Derbys hatte es schließlich nur einen Dortmunder Sieg gegeben. Der BVB war angesichts dieser Konstellation aber natürlich doppelt motiviert, dreifach, vierfach. Nach Toren von Alex Frei und Ebi Smolarek versauten sie Schalke tatsächlich den Titel. In seinem letzten Spiel für den BVB und drei Jahre vor seinem Wechsel zu Schalke bereitete Christoph Metzelder beide Tore vor. Mit Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller ließ er T-Shirts drucken: „Meister der Herzensbrecher – zweizunull“. Die Dortmunder Fans charterten ein Flugzeug, dass ein Banner über Gelsenkirchen zog: „Ein Leben lang keine Schale in der Hand“.

8. Rache und Rassismus

Schalke wollte Rache – und bekam sie schon im nächsten Derby. Am zweiten Spieltag der Folgesaison endete die Begegnung mit Schalkes 500. Bundesligasieg 4:1. Grund zur Aufregung gab es dennoch: Gerald Asamoah beklagte eine rassistische Beleidigung durch Roman Weidenfeller. Der Dortmunder Torwart wurde zu einer Geldstrafe und drei Spielen Sperre verurteilt. Sein Klub versuchte ihn mit dem Hinweis darauf zu verteidigen, Weidenfeller habe „schwules Schwein“ gesagt.

9. 0:4? Egal!

2008 führte Schalke nach 54 Minuten 3:0, war 20 Minuten später nach Platzverweisen gegen Ernst und Pander aber nur noch zu neunt. Eine Minute vor Schluss glich Alex Frei zum 3:3 aus. Heiko Westermann sprach anschließend von den „kuriosesten 90 Minuten, die ich je erlebt habe“. Es war nicht die letzte Aufholjagd im Revier. Das Derby in der Hinrunde der vergangenen Saison wird vermutlich noch länger in Erinnerung bleiben. Nach 25 Minuten führte Dortmund zu Hause 4:0. Doch Schalke kam in der zweiten Hälfte zurück, Burgstaller, Harit und Caligiuri hatten bis zur 86. Minuten den Anschluss hergestellt. In der vierten Minute der Nachspielzeit kam Naldo zum Kopfball angeflogen. Der Rest ist Geschichte.

10. Aber bitte mit Fahne

Einfach nur das kaputte Dach der Arena auf Schalke von der Schneelast befreien sollte ein Mitarbeiter im Winter 2010. Gesagt, getan: Er kletterte hinauf, machte seinen Job – und steckte eine BVB-Fahne in das verbliebene Weiß. Kann man machen, kam auf Schalke aber nicht gut an. Resultat: Kündigung. In Sachen Fahnen steht es also quasi Unentschieden, seitdem Schalker Fans über der Südtribüne zwei Schalke-Banner hissten. Auch auf dem Rasen kann Schalke am Samstag ebenfalls gleichziehen: Aktuell stehen 32 Dortmunder Bundesliga-Derbysiegen 29 Unentschieden und 31 Schalker Erfolge gegenüber.

Tobias Finger

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