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Emily Bölk (23) wurde 2018 und 2019 zu Deutschlands Handballerin des Jahres gewählt.

© dpa/ Guido Kirchner

Nationalspielerin Emily Bölk über die Handball-WM: „Ich sehe uns in diesem Jahr ein bisschen als das Überraschungsei“

Die deutschen Handballerinnen starten in die WM. Im Interview spricht Emily Bölk über Corona, die gegnerischen Teams und ihr persönliches Handball-Paradies.

Frau Bölk, die Nationalmannschaft hat das Vier-Nationen-Turnier mit zwei Siegen gegen Polen und die Slowakei sowie einer knappen Niederlage gegen Spanien beendet. Mit welchem Gefühl starten Sie jetzt in die Weltmeisterschaft?
Mit einem sehr guten. Wir haben das Turnier als eine Art härtere Trainingseinheit angesehen und die Chance genutzt, um viel auszuprobieren, verschiedene Formationen zu testen und zu versuchen, uns auf unterschiedliche Angriffstaktiken einzustellen. In der Summe hat das gut funktioniert, aber wir haben ebenso gesehen, wo wir noch etwas an den Stellschrauben drehen müssen.

Was sind denn diese Stellschrauben?
Das ist schwer so genau zu sagen. Wir wollten uns sehr variabel im Angriff und in der Abwehr aufstellen und manchmal stimmte dann die Abstimmung nicht ganz oder wir haben uns vielleicht etwas überraschen lassen. Es ist aber aufgefallen, dass wir, wenn etwas nicht gut gelaufen ist, darüber geredet haben und uns verbessern konnten.

Wie wichtig war es, dass Spielmacherin Alina Grijseels nach ihrer Verletzung gegen Spanien wieder ins Spielgeschehen eingreifen konnte?
Das hilft uns natürlich sehr. Sie wird eine sehr wichtige Rolle bei der WM einnehmen und da war es wichtig, dass wir uns vorher schon etwas einspielen konnten. Jetzt hoffen wir noch, dass Mia Zschocke auch bald zu uns stoßen kann, damit der Kader komplett ist.

Das Turnier fand nur wenige Tage vor dem Start der Weltmeisterschaft statt. Wie schwer sind jetzt die Beine nach drei Spielen in drei Tagen?
Wir haben versucht, die Kräfte gut zu verteilen, aber natürlich ist es eine andere Belastung. Da haben unsere Physios gerade gut zu tun. Für uns in dieser neuformierten Mannschaft war das Turnier allerdings sehr wichtig. Gerade für die Spielerinnen, die so wie ich in ausländischen Vereinen tätig sind, und vorher nicht zum Lehrgang rund um den Tag des Handballs kommen konnten. Dieser Test war im Vorfeld der WM wichtig, damit wir dann nicht ins kalte Wasser gestoßen werden, wenn es um jede Sekunde Kampf geht.

Zuletzt war Ihr Klub Ferencváros Budapest aufgrund von Corona-Fällen in den Medien. Mussten Sie in Quarantäne?
Nein, das wurde alles etwas aufgepusht. Ich bin doppelt geimpft und genesen, von daher haben wir nur erweiterte Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet und ich konnte hier mit allen anderen zusammen anreisen. Der PCR-Test ist eh regelmäßig im Hygienekonzept des Deutschen Handballbundes vorgesehen und ich habe anfangs zusätzlich mehrmals am Tag Schnelltests gemacht und natürlich eine Maske getragen, um richtig sicher zu gehen.

Wie sehr wird die Pandemie in der deutschen Mannschaft thematisiert?
Es sind ja nun schon knapp zwei Jahre, in denen wir alle täglich mit dem Thema konfrontiert werden. Da ist Corona bei uns nicht noch einmal gesondert im Fokus. Aber selbstverständlich müssen wir – wie sonst auch – Vorsicht walten lassen. Das ist ja gesunder Menschenverstand, besonders vor und bei einem Großereignis.

Emily Bölk ist deutsche Nationalspielerin und spielt außerdem bei Ferencváros Budapest.

© dpa

Sportlich hat Deutschland mit den Gegnern aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn zunächst eine sehr anspruchsvolle Vorrundengruppe erwischt.
Klar ist eine rein europäische Gruppe nicht unbedingt das, was man bei einer WM erwartet oder haben möchte. Wenn man sich allein die Platzierungen der Teams in den letzten Jahren anschaut, ist das schon sehr starke Konkurrenz. Da dürfen wir niemanden unterschätzen, hoffen aber, dass wir zwischen uns und Ungarn den Gruppensieg ausmachen können.

Das Spiel gegen Ungarn ist für Sie und Alicia Stolle, mit der Sie zusammen in Budapest spielen, ein besonderes, weil Sie gegen viele Ihrer Teamkameradinnen antreten. Für welche Seite ist das der größere Vorteil?
Das werden wir dann sehen (lacht). Im letzten Jahr haben wir uns da ganz gut geschlagen. Natürlich wäre es schön, wenn das jetzt wieder so klappt. Allerdings haben sich beide Mannschaften gewandelt, das wird spannend werden. Trotzdem werden wir selbstverständlich alles an Informationen bei unseren Trainern einbringen.

Wie läuft es eigentlich mittlerweile mit dem Ungarischen? Könnten Sie übersetzen, wenn Spielzüge angesagt werden?
Ich lerne Ungarisch jetzt seit etwa anderthalb Jahren, doch ich muss schon sagen, dass es eine sehr anspruchsvolle Sprache ist. Aber auf dem Feld werden ja meist nur einzelne Begriffe oder Nummern genannt, dafür dürfte es reichen. Da hoffe ich, dass ich das eine oder andere Kommunikative abgreifen kann, um es an die Mannschaft weiterzugeben.

Gehen wir einmal davon aus, Deutschland schafft es in die Hauptrunde. Was ist dann für die DHB-Auswahl möglich?
Wir haben kein bestimmtes Ziel ausgegeben, starten aber in die WM, um jedes Spiel zu gewinnen. Sonst bräuchte man nicht antreten. Wir haben in der Vergangenheit schon gezeigt, dass wir die Topnationen ärgern oder gar schlagen können. Durch die neue Zusammenstellung des Teams sehe ich uns in diesem Jahr ein bisschen als das Überraschungsei.

Zu der Umstrukturierung gehörte auch, dass Sie und Alina Grijseels zu Co-Kapitäninnen ernannt wurden. Hat sich dadurch für Sie viel geändert?
Was das Sportliche angeht absolut nicht. Ich hatte schon vorher auf dem Spielfeld eine Rolle als Führungsspielerin und die werde ich weiterhin versuchen auszufüllen und möchte mit meinen Leistungen vorangehen. Da bin dann jedoch nicht nur ich gefragt, sondern alle. Keine von uns gewinnt ein Spiel allein, es geht immer nur durch das Kollektiv. Aber natürlich ist es eine große Ehre, mit Alina Grijseels das Kapitänsamt übernehmen zu dürfen.

Zusammen mit Alina Grijseels ist Emily Bölk Co-Trainerin der Nationalmannschaft.

© imago images/Ritzau Scanpix

Und außerhalb des Sportlichen?
Es kommt viel Drumherum dazu, wo ich mich erst einmal einfinden muss. Die Medientermine sind mehr, aber auch Dinge, die die Reiseorganisationen angehen. Nach außen sichtbar ist ja immer nur, wie man vorneweg aufs Spielfeld läuft, den Rest sieht man so gar nicht. Dabei ist das viel, viel mehr.

Im Handball, wie in vielen anderen Sportarten, liegt der Fokus in der öffentlichen Wahrnehmung oft auf den Männern. Wie ließe sich dieser Zustand verbessern?
Das ist eine schwierige Frage, der wir uns schon lange stellen müssen. Prinzipiell ist es eine Wechselwirkung zwischen finanziellen Mitteln und den Möglichkeiten, die daraus gezogen werden. Wenn professionellere Strukturen möglich sind, steigen die Leistungen und man wird wieder interessanter für Sponsoren. Insgesamt macht aber die deutsche Frauen-Bundesliga immer wieder Schritte nach vorne.

Dennoch muss man genauso schauen, dass die Hallen aufgepäppelt und bessere Basisstrukturen geschaffen werden, um es sowohl für die Sportlerinnen als auch für Medien attraktiver zu machen. Und wir in der Nationalmannschaft versuchen dann natürlich, mit unserem Auftreten die Menschen von unserem Sport zu überzeugen, um der Liga einen Push zu geben.

Sie haben bereits in Dänemark gespielt, sind nun in Ungarn aktiv. Dort sehen die Verhältnisse etwas anders aus.
Es gibt viel staatliches Geld für die Vereine. Und Unternehmen, die investieren, bekommen Steuervergünstigungen. Dadurch ist eine ganz andere Professionalisierung möglich. Wir haben zum Beispiel eine Halle, die nur uns Handballern gehört und in die wir rund um die Uhr hineinkönnen. Der Staff ums Team herum ist extrem groß und der Verein super strukturiert – und dementsprechend ist es den Spielerinnen dann möglich, sich voll und ganz auf den Sport zu konzentrieren.

Dabei hilft es natürlich, wenn die Spielerinnen genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Genau. Bei Ferencváros sind wir alle Profis und das ist fast in der gesamten Liga so. Handball wird als Beruf anerkannt.

Und ist in den Medien viel präsenter.
Das stimmt. In Ungarn werden viele Handball-Spiele im Fernsehen gezeigt, genauso Champions-League-Partien – alle davon im Free-TV. Und das selbst, wenn kein heimischer Klub dabei ist. Die Handballbegeisterung ist sehr groß und die Medienpräsenz dementsprechend hoch. Da wurde beispielsweise in Ungarn letztes Jahr auch unsere Meisterschaftsfeier gezeigt, das wäre in Deutschland so nicht vorstellbar.

Hier wird selbst die WM nur im Stream ausgestrahlt. Schon schade, oder?
Auf jeden Fall. Aber wir kämpfen ja auch dafür, dass sich daran etwas ändert. Bisher hatten die Fernsehspiele, die wir bekommen haben, relativ gute Einschaltquoten und wir haben ein positives Feedback erhalten. Das Interesse ist also vorhanden. Insgesamt geht es uns da jedoch wie vielen anderen. Am Ende wird lieber ein viertklassiges Fußballspiel gezeigt, anstatt andere Sportarten. Da muss es für uns darum gehen, weiter den eigenen Weg zu gehen, und hoffentlich mit attraktivem Handball und guten Leistungen an diesen Prioritäten zu rütteln.

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