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Sixdays in Berlin: Immer wieder Armstrong

Pat McQuaid, der Chef des Radsport-Weltverbands, muss sich auch in Berlin unangenehmen Fragen stellen

Berlin - Pat McQuaid schreitet die Bahn im Velodrom hinab. Die Fahrer des Berliner Sechstagerennens stehen links und rechts Spalier, sie haben ihre Fahrräder aufs Hinterrad gestellt und lassen ihre Vorderräder rotieren, die Speichen flirren im Scheinwerferlicht. McQuaid, der Präsident des Radsport-Weltverbands UCI, wird gleich mit Britta Steffen und Innensenator Ehrhart Körting den Startschuss geben. Eine Ehre, die vor ihm unter anderem Gunther Emmerlich, Jeanette Biedermann und Zecke Neuendorf zuteil wurde. Der Hallensprecher kündigt ihn an: „Bitte begrüßen sie den Mann, der mit seinem Radsport-Weltverband eine nicht gerade einfache Zeit durchmacht.“ Doch in diesem Moment sind McQuaids Sorgen weit weg. Er hebt die Startpistole über den Kopf und verzieht das Gesicht – dann knallt es, die Fahrer setzen sich zum Schlager von der „Berliner Luft, Luft, Luft“ in Bewegung. McQuaid und Steffen werden von Fotografen umzingelt, die verlangen, dass die beiden noch ein bisschen mit den Pistolen herumfuchteln. „Crazy, crazy“, sagt der 59-jährige Ire leise lächelnd mehr zu sich selbst, als die Fotografen schließlich von ihm ablassen.

McQuaid könnte an diesem Donnerstagabend anstatt im Berliner Sechstage-Trubel auch bei der Tour Down Under in Australien sein. Rund 15 000 Kilometer vom Velodrom entfernt gibt ein gewisser Lance Armstrong sein Comeback. „Aber das 100-jährige Jubiläum des Berliner Sechstagerennens ist mir wichtiger“, sagt McQuaid. Seit 1972 ist er bei keinem Sechstagerennen mehr gewesen, aber jetzt, da der umstrittenste Mann des Radsports wieder in den Sattel steigt, ist McQuaid der Einladung der Berliner Organisatoren am anderen Ende der Welt gefolgt. Doch selbst hier, neben den Brauerei-Hostessen in den knappen roten Uniformen, lässt ihm Armstrong keine Ruhe.

Nach dem gelungenen Auftakt des Abends kommt der für McQuaid unschöne Teil. Die Fragen. Was ist mit Armstrong? Wie steht es um den geplanten Blutpass der UCI? Den Streit mit der französischen Anti-Doping-Agentur? Den Fuentes-Prozess in Spanien? McQuaid, der wegen seiner nicht immer konsequenten Anti-Doping-Politik oft in der Kritik stand, nuschelt kurz „Wir sind hier beim Sechstagerennen“, bevor er antwortet. „Armstrongs Comeback ist exzellent für den Radsport“, sagt er. „Jede Zeitung der Welt hat darüber berichtet – das waren alles positive Geschichten.“ Armstrong sei der wahrscheinlich am häufigsten getestete Athlet der Welt, ihm gehe es mehr um den Kampf gegen Krebs als ums Radfahren. „Außerdem braucht jeder Sport Weltstars. Und Armstrong ist ein Weltstar.“

Die gleichen Sätze hat McQuaid schon ein paar Stunden zuvor gesagt, bei einem Empfang im Roten Rathaus. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat geladen, ist aber selbst nicht gekommen. Als Grund geben die Renn-Organisatoren wichtige Termine des Regierenden an, ein paar Stunden später erscheinen die ersten Fotos von Wowereit mit dem Maskottchen der Leichtathletik-WM. McQuaid hält eine kurze Rede. „Wir alle wissen, dass es der Radsport in Deutschland zurzeit schwer hat“, sagt er. „Da wärmt der Erfolg des Sechstagerennens einem das Herz.“ Es zeige, wie sehr das deutsche Publikum den Radsport immer noch schätzt, „egal, was Teile der Medien für eine Meinung dazu haben“. Danach werden Currywurst und Speckpflaumen gereicht, McQuaid posiert mit Würdenträgern für ein Foto, in der Hand ein Bier der Brauerei, die das Rennen sponsert. Am Rande des Saals lümmeln die Radprofis, junge Männer in Turnschuhen, in ihren Stühlen.

Am Abend rasen die jungen Männer um das Oval des Velodroms, die Würdenträger haben sich an langen Tischen niedergelassen. Einen Tisch von McQuaid entfernt sitzt Peter Danckert, der Vorsitzende des Bundestags­Sportausschusses und Radsport-Kritiker. An diesem Abend scheint aber selbst Danckert keine Lust auf Streit zu haben. Pat McQuaid kann den Abend genießen.

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