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Sport: In der Mitte entspringt der Sieg

Das Mittelfeld war eine von Herthas Problemzonen – beim 2:1 gegen Dortmund sind Zeichen der Besserung zu erkennen

Berlin. An Tagen, an denen die großen Dinge funktionieren, klappen manchmal auch die kleinen Kunststücke. Am späten Samstagnachmittag zum Beispiel. Da segelte Marcelinho kunstfertig durch die Luft und fing – einem Torhüter gleich – seinen linken Fußballschuh, den ihm sein Kollege Alex Alves auf Brusthöhe zugeworfen hatte. „Dankbarer Ball“, sagen die Sportreporter in ähnlichen Fällen, wenn der Ball so aufs Tor kommt, dass der Torhüter schön durch die Luft fliegen kann. Dankbarer Schuh und dankbarer Marcelinho. Sekunden zuvor hatte Herthas Mittelfeldspieler den Ball per Kopf ins Tor der Dortmunder geleitet. Es lief bereits die Nachspielzeit, und Marcelinhos Treffer bescherte seiner Mannschaft einen kaum noch erhofften Sieg über den Deutschen Meister Borussia Dortmund.

Schon der 2:1-Erfolg alleine hätte alle Formen ausgelassenen Jubels gerechtfertigt; bei Marcelinho kam ein weiterer Grund hinzu. Der Brasilianer, mit sechs Treffern Herthas bester Torschütze, hatte seit dem 19. Oktober kein Tor mehr erzielt. Mehr als das: Die Erwartungen, die der Brasilianer in seinem überragenden ersten Jahr in Berlin geweckt hatte, wurden im vergangenen Herbst immer seltener erfüllt. Herthas Krise bekam einen Namen: Marcelinho. Das mag unfair sein, weil eine Mannschaft nicht nur aus einem Spieler besteht. Aber die Theorie, dass das Auftreten Herthas in direkter Abhängigkeit von der Form und Leistung Marcelinhos steht, wurde durch das Spiel vom Samstag nur aufs Neue gestützt.

19 Tore hat Hertha in der Hinrunde geschossen, so wenige wie ein Abstiegskandidat. Natürlich deutet das in erster Linie auf ein Problem im Angriff hin, in Wirklichkeit aber ist das nur die halbe Wahrheit. Die Ursachen liegen tiefer – oder räumlich gesehen weiter hinten: in der Mitte des Feldes nämlich. Nur gut ein Drittel dieser 19 Tore wurde durch Mittelfeldspieler vorbereitet, lediglich beim Tabellenletzten Energie Cottbus fiel dieser Wert in der Hinrunde noch schlechter aus. Auch deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass es zwei Mittelfeldspieler waren, die die beiden Tore zum 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund erzielten. Und ein noch besseres Zeichen ist es, dass es jene beiden Spieler waren, auf denen die Hoffnungen der Berliner auf eine erfolgreiche Rückrunde ruhen: Neben dem offensiven Marcelinho traf auch auch der defensiv eingesetzte Pal Dardai.

Das Ergebnis und die Umstände erinnerten ein wenig an den Herbst 2001, jene Periode, in der Hertha zuletzt mit den ganz Großen der Liga mithalten und den eigenen Ansprüchen genügen konnte. 2:1 gewann Hertha damals gegen Bayern, 2:1 gegen Leverkusen, 2:1 im Pokal gegen Erfurt und Frankfurt. In allen vier Spielen hatte Dardai den Siegtreffer erzielt.

Manager Dieter Hoeneß sieht den Ungarn „auf dem Weg zurück zu alter Stärke“, zu jener Stärke, die einst gar den FC Bayern über eine Verpflichtung Dardais nachdenken ließ. Dass er zwischenzeitlich der eigenen Leistungsfähigkeit vergeblich hinterherlief, hat einen traurigen Grund. Im Sommer war es, in Herthas Trainingslager, als Dardai die Nachricht vom Tod seines jüngeren Bruders ereilte. Balasz Dardai, 21 Jahre alt, war auf dem Fußballfeld zusammengebrochen. „Darüber will ich nicht reden“, hat Dardai nach dem Spiel gegen den BVB gesagt. Hoeneß aber hat in der Vorbereitung auf die Rückrunde festgestellt: „Pal ist jetzt im Kopf klar.“

Die Veränderung war schon im Spiel gegen Dortmund deutlich zu spüren. Dardai kümmerte sich nicht nur eindringlich und erfolgreich um Dortmunds Spielmacher Tomas Rosicky, er belebte auch die eigene Offensive. „Er hat so gespielt, wie wir uns das wünschen“, sagte Hoeneß, „als Abräumer vor der Abwehr und mit Druck nach vorne.“

Mit einer Leistung wie gegen die Dortmunder erfüllt Dardai ohne Zweifel die Anforderungen, die an einen defensiven Mittelfeldspieler modernen Typs gestellt werden. Bei Hertha galt diese Position – auch bedingt durch Dardais verständliche Formschwäche zu Saisonbeginn – als vakant. Einen Mann für diese Position zu finden ist ebenso einfach wie kompliziert. Dietmar Hamann vom FC Liverpool wäre einer, aber der ist für Hertha leider unbezahlbar. Auch Stefan Effenberg hielte Herthas Manager Hoeneß für einen geeigneten Kandidaten – wenn er sieben Jahre jünger wäre.

Vielleicht aber heißt die passende Besetzung auch Pal Dardai. Sein Tor zum 1:0 vereinigte Technik, Präzision und Dynamik. In Dardais Schuss, der die knappe Lücke im Dortmunder Tor fand, hatten sich damit gewissermaßen alle Qualitäten verdichtet, die ein Spieler auf seiner Position besitzen muss. „Es geht nicht um mich“, sagte Dardai über all die Komplimente, die ihm nach dem Spiel zuteil wurden, die ganze Mannschaft habe stark gespielt, und wenn sie so weitermache, auch taktisch, „dann machen wir unsere Zuschauer noch glücklich“.

Wenn Pal Dardai so weitermacht, macht er vor allem Dieter Hoeneß glücklich.

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