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Sport: In der Straße der Hoffnung

Champions-League-Sieger Barcelona kämpft heute in Liverpool gegen das Aus

Wenn im Fußball die Religion bemüht wird, ist das ein sicheres Zeichen für eine Krise. Demnach steht es nicht gut um den FC Barcelona. Kurz vor dem heutigen Champions-League-Rückspiel gegen Liverpool beschwört die prokatalanische Fußballgemeinde mit Inbrunst die Kraft des Glaubens. Wenn Barcelona vor sechs Jahren ein 3:1-Sieg an der Anfield Road gelungen ist, warum soll das Frank Rijkaard und seinen Spielern jetzt nicht auch gelingen? „Wir können es schaffen“, sagte Barcelonas Sportdirektor Txiki Begiristain vor der Abreise des Teams nach England. Und die Tageszeitung „La Vanguardia“ empfahl schon einmal vorsorglich allen Agnostikern, heute Abend lieber ins Kino zu gehen als vor dem Fernseher zu sitzen – damit sich deren negative Energie nicht via Bildschirm auf den englischen Rasen überträgt.

Zuspruch hat der Verein dringend nötig, denn die Chancen in Liverpool stehen nicht mehr gut. Mindestens zwei Tore brauchen die Katalanen, um die 1:2-Niederlage im heimischen Camp Nou vor zwei Wochen auszubügeln. Die Generalprobe hat der Titelverteidiger verpatzt. Am vergangenen Samstag hat der FC Sevilla den FC Barcelona von der ersten Position in der spanischen Liga verdrängt. Rijkaards Team gelang es nicht, die Führung der ersten Halbzeit zu halten. Sevilla gewann 2:1 – mit einem Mann weniger auf dem Spielfeld. Aber Trainer Frank Rijkaard hat dennoch eine Möglichkeit gefunden, die Niederlage positiv zu deuten. „Liverpool spielt ähnlich wie der FC Sevilla, insofern nützt uns die Niederlage in der Champions League.“

Spielstrategisch wird sich Rijkaard heute Abend (20.45 Uhr, live bei Premiere) wohl allerdings eher am Königs-Pokalspiel gegen Saragosa orientieren. Dort versuchte sich die Mannschaft erstmals in einem 3-4-3-System statt dem klassischen 4-3-3, hatte Erfolg und qualifizierte sich fürs Halbfinale. Glaubt man den spanischen Sportkommentatoren, dann wird Rijkaard auch in Liverpool die offensivere Strategie wählen.

Es ist eine seiner schwersten Aufgaben, die Rijkaard in seinem 200. Spiel als Barca-Coach zu bewältigen hat. „Wir können uns nicht ausruhen, sondern müssen kämpfen wie nie zuvor“, sagte der Niederländer, fügte allerdings hinzu: „Wir haben nichts zu verlieren.“ Die Zuversicht zieht er aus den Erfolgen der Vergangenheit. „Wir haben genug Talent und Klasse, um für eine Überraschung zu sorgen.“ Weil Barcelona Titelverteidiger ist, wäre es freilich die größere Überraschung, wenn die Katalanen tatsächlich ausscheiden würden.

Erstmals seit fünf Monaten werden der lange Zeit verletzte Samuel Eto’o, Lionel Messi und Ronaldinho gemeinsam auf dem Spielfeld stehen. Der Brasilianer gibt sich siegesgewiss: „Für die Engländer wird es gefährlich, wenn sie glauben, dass mit dem Hinspiel die Arbeit getan ist. Schon oft sind wir aus schwierigen Situationen als Sieger hervorgegangen.“

So viel zur Schau getragene Selbstsicherheit ist Balsam für die katalanischen Fans, die nicht glauben wollen, dass die Stunden des FC Barcelona als bester Verein Europas vielleicht schon gezählt sind. Zweifel stehen einem amtierenden Champions-League-Sieger nicht gut zu Gesicht. Laut einer Umfrage der Sportzeitung „El mundo deportivo“ glauben jedenfalls knapp 70 Prozent der Fans an einen Sieg in Liverpool.

Das Hotel, in dem die Mannschaft in Liverpool Quartier bezogen hat, steht übrigens an einer Straße mit dem hübschen Namen Hope Street, Straße der Hoffnung.

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