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Kein Platz für so einen Andrang am Becken. Die Bäderbetriebe seien gegen das Meeting gewesen, heißt es. Weil die Halle überbelastetet sei.

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International Swim Meeting: Beziehungskrise am Becken

Das International Swim Meeting, Berlins größtes Schwimmfest, fällt aus: Die Geschichte einer Disharmonie von Breiten- und Leistungssport.

Berlins größter Schwimmwettkampf setzte seine Todesanzeige selbst auf: „Der Veranstalter sieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr, aus eigener Kraft die Organisation für 2018 abzusichern.“ Es wäre in diesem Jahr das 15-jährige Jubiläum des International Swim Meeting (ISM) gewesen. Immer am letzten Märzwochenende folgten zuletzt 1400 Sportler, viele von ihnen Kinder und Jugendliche, und 600 Betreuer der Einladung des SSC Reinickendorf in die Schwimm- und Sprunghalle am Europapark (SSE). Einer Umfrage der Webseite „sportnews.de“ zufolge war das Turnier die beliebteste Schwimmveranstaltung Deutschlands. Damit ist es jetzt vorbei. Am 24. Oktober gab der SSC im Netz bekannt, dass er keine Hoffnung mehr gibt für die Veranstaltung.

Nachfragen, warum der Wettkampf keine Zukunft mehr hat, rufen gegenseitiges Fingerzeigen hervor. Der Veranstalter beschuldigt den Berliner Schwimmverband (BSV) und den Deutschen Schwimmverband (DSV), diese wiederum verweisen auf das Ausbleiben der Bewerbung des SSC und die Berliner Bäderbetriebe, die niemals ein Stattfinden des Meetings ausgeschlossen haben wollen. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport steht derweil zwischen den Parteien. Das ISM brachte Prestige und Tourismuseinnahmen nach Berlin. Dann ist die Fokussierung auf den Leistungssport im Interesse des Landes und eindeutig als Hauptverwendungszweck des SSE festgelegt.

Was nach lokalen Grabenkämpfen aussieht, spiegelt größere Umwälzungen wider: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) steht unter Zugzwang und rationalisiert durch die Spitzensportreform den deutschen Elitesport. Besonders der DSV ist unter Druck, denn der deutsche Schwimmsport ist seit Paul Biedermann international zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Fokus auf den Leistungssport lautet daher die Devise. „Die Vereine machen Geld mit der Halle und wir stehen dann da als Leistungssportler“, beschreibt Stützpunktleiterin Beate Ludewig ihre Lage. Ihr Hauptinteresse als Bundesjugendtrainerin und Verantwortliche für den Stützpunkt: Strategisch platzierte Wettkämpfe, die ihre Schützlinge möglichst gut für Elitewettkämpfe und internationale Meisterschaften vorbereiten, denn gute Resultate finanzieren durch Prämien ihre Arbeit. Ein „Schwimmfest“, wie sie das ISM nennt, passt da nicht ins Konzept. „2016 waren 65 Prozent Ausländer dabei, die Wettkämpfe liefen von 6.30 Uhr morgens bis 21 Uhr abends, da spielen die Kinder ja verrückt“, so ihre Kritik. Der Hauptgrund für die Nichtberücksichtigung des SSC hätte jedoch nichts mit ihren Interessen zu tun: Die Bäderbetriebe seien dagegen gewesen, weil die Halle überbelastetet sei. Außerdem hätte sich der SSC nicht auf die Ausschreibung der Veranstaltungen im Oktober beworben. „Wir wollen nicht gegen, sondern mit den Vereinen arbeiten“, so Ludewig. „Wir hätten schon eine Lösung für das ISM gefunden“. Diesen Satz hört man auch vom BSV und Senatsverwaltung. Warum also gab es keine Lösung?

Fakt ist: Nach dem ISM 2016 musste das Schwimmbecken der SSE zwei Tage lang geschlossen werden, weil die Wasserwerte zu schlecht waren. Fakt ist aber auch: Die Berliner Bäderbetriebe haben ein Stattfinden des ISM nie ausgeschlossen. „Unsere Bäderfachleute hatten im Vorfeld der Planung lediglich darauf hingewiesen, dass das ISM mittlerweile eine Größenordnung erreicht hat, die dauerhaft für den Betrieb dieses Bades problematisch werden könnte und eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen ins Gespräch gebracht“, so Bäderbetriebe-Sprecher Matthias Oloew.

Weiterer Fakt: Der SSC hat sich tatsächlich nicht für einen Wettbewerbsplatz im SSE beworben. Eine Sprecherin des Vereins sagt dazu: „Uns wurde eine Liste von fünf angesetzten Veranstaltungen vorgelegt. Die hatten aber nichts mit dem ISM zu tun, deswegen haben wir uns nicht beworben.“

Beim Senat ist man verwundert

Wer verstehen will, was genau wann schiefgegangen ist, muss sich in Protokolle und Briefwechsel einlesen, mit Verbandsfunktionären und Vereinsvertretern sprechen. Im Februar 2016 trafen sich Vertreter von Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Bäderbetrieben, Landessportbund, DSV und BSV, um die Vergabe von Schwimmwettkämpfen im SSE zu besprechen. Traditionell richten Vereine Wettkämpfe aus, um durch Startgeldeinnahmen ihre Finanzen aufzubessern und ihre Talente zu zeigen. Die Belastung für das SSE, das wie viele Berliner Bäder vom eklatanten Sanierungsrückstau betroffen ist und dringend renoviert werden muss, sei zu groß geworden, so Ludewig und die Bäderbetriebe. Senatsverwaltung und Verbände einigten sich auf ein neues Vergabeverfahren, bei dem Vereine sich auf Veranstaltungen bewerben müssen. Dazu liegen von Beate Ludewig verfasste Wettkampfpläne vor, auf denen das ISM nicht vermerkt ist. „Natürlich hat Frau Ludewig ein Ausschreibungsgerüst vorgesehen, bei dem die Wettkämpfe so gestaltet sind, dass sie Sinn für die Elitesportler machen, etwa in Hinblick auf Qualifikationen und Wettkampfvorbereitung“, sagt Thomas Beyer, Fachwart Schwimmen beim BSV. Er selbst war beim Runden Tisch mit dem Senat nicht anwesend, ebenso wenig wie bei der Trainerratssitzung im April, bei der Ludewig stellvertretend für ihn das neue Vergabekonzept vorstellte. Neben der Anzahl der Kampfrichter, die der jeweilige Verein stellt, sollten auch Mitgliederzahl und Teilnahme am Regionalkonzept des Leistungssports in die Bewertung einfließen. Dies wurde zur Fachausschusssitzung im Mai allerdings geändert; jetzt spielen nur noch Kampfrichteranzahl und Teilnahme an Sichtungsprogrammen sowie Teilnahme am „Pokal der Vereinsbesten“ und Einschulungen an Sport-Eliteschulen eine Rolle – eine klare Tendenz in Richtung Leistungssport, wie auch im Protokoll des Runden Tisches verbrieft. Die neue Richtung kam bei den Vereinen nicht gut an, wie auch aus dem Protokoll deutlich wird. „Die Kommunikation war nicht so geglückt und wurde auch nicht gut aufgenommen“, sagt Beyer rückblickend. Er musste nach der Sitzung die Gemüter zahlreicher Trainer von lokalen Berliner Vereinen besänftigen. Das ist beim SSC Reinickendorf anscheinend nicht gelungen: Hier mag auch eine Rolle spielen, dass der SSC immer im direkten Kontakt mit dem Senat stand und sich nie über den BSV bewerben musste. „Die haben sich gedacht: Dann rennen wir eben zu den Politikern“, kommentiert Beate Ludewig. Der SSC dagegen fühlt sich durch ihre Planung übergangen und sah aufgrund des neuen Wettkampfkalenders keinen Anlass, sich auf einen Termin außerhalb der angesetzten Wettkämpfe zu bewerben. „Unter vier bis sechs Augen wurde uns zu verstehen gegeben, dass wir im SSE nicht erwünscht sind“, so die SSC-Sprecherin.

Beim BSV und der Senatsverwaltung ist man indes verwundert über die Haltung des Veranstalters: „Ich finde es schade, dass keine Bewerbung kam“, sagt BSV-Geschäftsführer Manuel Kopitz. „Die Sportverwaltung hat zusammen mit dem SSC Reinickendorf nach Lösungen gesucht, das ISM dennoch im Jahr 2018 durchführen zu können, gegebenenfalls in einem kleineren und mehr leistungssportbezogenen Format oder in einer anderen Schwimmhalle“, heißt es aus der Senatsverwaltung. Schlichtungstermine zwischen BSV und SCC im Oktober fruchteten nicht, es blieb bei der Nichtbewerbung. Somit ist die Ankündigung der Absage eine Scheidungsanzeige. Wie in einem Rosenkrieg herrscht zwischen beiden Parteien eisiges Schweigen. „Man kann über alles reden“, so Thomas Beyer. „Aber wenn man nicht miteinander spricht, kommt man auch nicht zu einer Lösung.“

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