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© dpa

Interview: "An die Panzer habe ich mich gewöhnt"

Trainer Robert Jaspert spricht im Tagesspiegel-Interview über Fußball im Libanon, Hisbollah-Lieder im Mannschaftsbus – und ein Attentat.

Herr Jaspert, Sie kommen gerade aus dem Libanon. Fast ein Jahr haben Sie dort den Fußball-Erstligisten Al Ahed trainiert. Warum sind Sie nun zurückgetreten?

Nicht aus sportlichen Gründen. Mein Team belegt den zweiten Tabellenplatz. Ich bin nach Berlin zurückgekehrt, weil sich die politische Lage extrem verschlechtert hat. Die Präsidentschaftswahlen sind zum 13. Mal verschoben worden, es gibt schwere Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition.

Da Ihr Klub von der islamischen Hisbollah unterstützt wird, drohte Ihnen Gefahr.

Nein. Auch wenn ich beim von der Regierung gesponsorten Tabellenführer Al Ansar gearbeitet hätte, wäre es in Beirut zu gefährlich gewesen. Mein Verein konnte nicht mehr für meine Sicherheit garantieren. Die Klubführung hat mir geraten: Verlasse nicht das Hotel! Ich hatte das Gefühl, ich habe keine Zeit mehr; etwas braut sich zusammen. Ich habe eine Vertragsklausel genutzt, nach der ich bei unsicherer politischer Lage jederzeit kündigen kann.

Im Juni 2007 haben Sie eine Bombenexplosion überlebt, bei der auch zwei Spieler des Lokalrivalen Nejmeh SC starben. Warum sind Sie trotzdem geblieben?

Einfach zu gehen, hätte mich nicht zufriedengestellt. Ich wollte etwas bewegen. Das Attentat galt einem Parlamentsabgeordneten. Die Bombe explodierte direkt vor meinem Hotel. Durch die Druckwelle zersprangen die daumendicken Fensterscheiben meines Zimmers. Ich war nur 200 Meter entfernt und als ich zurückkam, war mein Zimmer übersät mit messerscharfen Splittern. Ich habe mir danach fürchterliche Gedanken gemacht.

Wieso haben Sie sich überhaupt auf das Abenteuer Libanon eingelassen?

Während meiner Tätigkeit als Kotrainer von Südkoreas Nationalmannschaft habe ich bei einer Länderspielreise den Libanon als wunderschönes, offenes Land kennengelernt. Als ich das Angebot im März 2007 erhielt, hatte ich keine Angst. Und an die Panzer im Straßenbild habe ich mich auch schnell gewöhnt.

Haben Sie denn gar keine Gefahren im täglichen Leben gespürt?

Nein, wirklich nicht. Ich möchte das vergangene Jahr auch auf keinen Fall missen. Das Land und die Arbeit haben mir viel Freude bereitet. Bei meinem Abschied haben die Spieler geweint, das hat mich sehr berührt.

Hatten Sie als Trainer eine starke Position im Verein?

Oh ja. Die Klubführung hat mich sogar gefragt, ob manche Spieler mehr oder weniger Gehalt erhalten sollen. Wobei sie mit 500 Dollar im Monat wenig verdienen. Aber sie sind alle sehr wissbegierig und lernwillig. Der deutsche Fußball genießt im Libanon ein hohes Ansehen.

Und dann haben Sie die deutschen Tugenden eingeführt …

Mit Fleiß, Disziplin und Ausdauer haben wir bei Al Ahed viel erreicht. Es hat zwar eine Weile gedauert, bis ich alle dazu gebracht hatte, pünktlich zum Training zu kommen. Aber die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Die Schiedsrichter haben mir erzählt, sie wollen nicht für unsere Spiele nominiert werden, weil sie bei uns dreimal so viel rennen müssten.

Wie stark ist der Einfluss der Hisbollah auf Al Ahed?

Auf dem Vereinsgelände hängen neben der libanesischen Flagge auch Fahnen der Hisbollah, in den Büros hängen die Bilder ihrer Führer. Aber ich wurde in politische Dinge nicht hineingezogen. Das habe ich abgelehnt. Zu Versammlungen wurde ich nicht eingeladen, bei Fernsehinterviews haben sie die Bilder abgehängt. Andererseits kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, woher das Geld für den Verein kommt.

Also sind die Spieler Sympathisanten der Hisbollah.

Einige schon. Die Hisbollah setzt sich in Beirut ja auch für die sozialen Probleme ein. Und wenn meine Mannschaft auf der Busfahrt zum Spiel alte Kampflieder der Hisbollah hört, geht es für sie nur um Motivation. Das akzeptiere ich, auch wenn es mir auf den Keks geht. Hauptsache, die Stimmung wird angeheizt. In Duisburg haben wir damals die Spieler vor der Partie mit Bruce Springsteen angespornt.

Aber das ist doch Politik, kein Sport.

Im Libanon ist alles politisch. Jeder der zwölf Erstligaklubs kann entweder der Regierung oder der Opposition, den Muslimen oder den Christen zugeordnet werden. Wegen der Rivalitäten wechseln die Spieler nie den Verein, sie binden sich lebenslang an ihren Klub. Leider ist es auch so, dass die Regierung aus Angst vor Auseinandersetzungen verboten hat, die Ligapartien vor Zuschauern auszutragen. Auch die Spielorte werden erst kurz vorher ausgelost. Immerhin überträgt das Fernsehen aus den leeren Stadien.

Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal im Libanon als Trainer zu arbeiten?

Auf jeden Fall. Wenn sich die Lage verbessert, würde ich sofort wieder zurückkehren. Im Moment genieße ich es aber, wieder zu Hause in Berlin zu sein.

Interview: Johannes Scharnbeck

Robert Jaspert, 48, trainierte bis vor einer Woche den von der Hisbollah unterstützten Klub Al Ahed. Der Berliner coachte einst Tennis Borussia und war Assistent in Duisburg und Südkorea.

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