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Fatmire Bajramaj, 22, gilt als eines der sportlichen Vorbilder für gelungene Integration. Die im Kosovo geborene Weltklassefußballerin spielt für Turbine Potsdam und hat diverse Titel gewonnen.

© dpa

Interview: Fußballerin Bajramaj: "Es härtet ab, wenn man sich auf den Bolzplätzen durchsetzt"

Die Potsdamer Weltklassefußballerin Fatmire Bajramaj über ihre Heimat Kosovo, Integration ohne Kopftuch und uniformierte Talente im Internatsalltag.

Frau Bajramaj, was sagt Ihnen Bambi?

Meinen Sie das Reh oder den Preis?

Mesut Özil bekam kürzlich den erstmals verliehenen Integrations-Bambi.

Es gibt viele, die den Preis verdient hätten. Auch Cacau engagiert sich sehr. Aber Mesut steht nun mal mehr im Fokus der Medien, gerade wenn es um die Türkei und Deutschland geht. Er ist das Aushängeschild.

Auch Sie hätten aufgrund Ihrer Biografie den Preis verdient.

Freut mich, dass Sie es so sehen. Was den Frauenfußball angeht, stehe ich oft im Fokus. Ich gebe mir also Mühe, ein gutes Bild abzugeben.

Sie sind im Alter von vier Jahren mit Ihrer Familie aus dem Kosovo geflüchtet. Haben Sie noch Erinnerungen an die Heimat?

Sehr gute, weil ich dort eine schöne Kindheit hatte. Von den schlimmen Dingen habe ich wenig mitbekommen. Der Kosovo ist meine Heimat. Manchmal vermisse ich die Sonne und das leckere Essen. Mein erster Wohnort in Deutschland war Remscheid, ein Asylantenheim.

Zwei Jahre lang haben Sie heimlich Fußball gespielt, weil Sie Angst hatten, dass Ihr Vater es Ihnen verbietet.

Ich habe mir die Stutzen von meinem Bruder Flakron genommen, T-Shirt und kurze Hosen hatte ich selber, Schuhe habe ich von den anderen Jungs aus dem Verein bekommen. Wenn ich abends heimkam, konnte ich die dreckigen Sachen ruhig zeigen. Die hätten ja auf dem Spielplatz genauso dreckig werden können wie auf dem Fußballplatz.

Aber Sie brauchten sicher Komplizen.

Alle Jungs aus meiner Mannschaft wussten Bescheid. Die haben im Garten auf mich gewartet, dann sind wir zusammen zum Training gelaufen. Einmal musste ich die Unterschrift für den ersten Spielerpass fälschen. Ich habe in Grundschulschrift unterschrieben, in riesigen Druckbuchstaben. Das muss dem Verein aufgefallen sein, doch die Schiedsrichter haben immer nur gezwinkert und den Pass akzeptiert. Irgendwann hat mein Vater es herausgefunden. Ich hatte mir vergeblich Sorgen gemacht; einen Tag später fuhr er mit mir zum Sportgeschäft und ich durfte mir Schuhe und ein Trikot aussuchen.

Derzeit erleben Sie eine Art zweiter Integration: Sie sind vor einem Jahr von Ihrer Familie in Gladbach fortgezogen und zu Turbine Potsdam gewechselt. War die Umstellung ein Problem?

Anfangs habe ich die neuen Leute um mich herum erst mal beobachtet. Ich war regelrecht schüchtern, beinahe wie im Kindergarten. Doch meine Kolleginnen haben es mir leicht gemacht. Jetzt bin ich fast noch deutscher als manch andere: Disziplin und Respekt sind mir sehr wichtig.

Sie haben noch auf dem Bolzplatz geübt. Stirbt die Spezies Straßenfußballer auch bei den Frauen aus?

So langsam schon, schade. Wenn ich an Bolzplätzen vorbeigehe, sehe ich kaum noch Mädchen mitspielen. Die Talente sind längst in den Internaten der Klubs. Der Rest spielt schon in jungen Jahren im Verein. Das ist natürlich wichtig für die Ausbildung, doch alles, was Fußball für mich so besonders macht – Tricks, schnelles Handeln, Robustheit –, habe ich beim Spiel gegen Jungs gelernt.

Sie würden allen empfehlen, auch mal auf den Ascheplatz nebenan zu gehen?

Nehmen wir unsere U 17 in Potsdam. Die Mädchen leben größtenteils im Internat. Wenn ich sie morgens sehe, tragen alle die gleiche Kleidung. Sie haben einen geregelten Tagesablauf: morgens und abends Training, dazwischen Schule. Denen fehlt die Freiheit, irgendwo hinzugehen und Jungs anzusprechen, ob sie mitspielen dürfen. Aber so etwas bringt dich auch weiter, man muss sich trauen zu fragen und sich durchsetzen. Es härtet ab, wenn man sich gegen einen überlegenen Gegner durchsetzt.

Sie sind mit 22 Jahren Welt- und Europameisterin, Champions-League- und Uefa- Cup-Gewinnerin. Falls Sie 2011 im eigenen Land Weltmeisterin werden: Was soll dann noch kommen?

Der WM-Titel ist mein größter Traum. Aber ich will auch bei den Olympischen Spielen 2012 Gold holen, 2013 kommt wieder eine EM. Titel zu gewinnen macht süchtig.

Sie sind gläubige Muslima. Wie würde die muslimische Gemeinde reagieren?

Natürlich gibt es welche, die mir absprechen, eine richtige Muslima zu sein. Aber man muss kein Kopftuch tragen, um Muslima zu sein. Ich bete regelmäßig, das ist mir wichtig. Aber ich interpretiere meinen Glauben modern. Ich bin jung, gehe auch mal feiern und trinke ein Glas Sekt.

Der Weltverband Fifa will Kopftücher im Fußball verbieten. Das iranische Frauenteam sollte bestraft werden, weil die Spielerinnen mit Kopftuch aufliefen.

Es ist ein Wunder, dass diese Frauen in einem solch strengen Land überhaupt Fußball spielen können. Wenn die Fifa ernsthaft über ein Verbot der Kopftücher nachdenkt, werden die Iranerinnen sicher nicht mehr spielen dürfen.

Die Fragen stellten Maike Schulz und Benjamin Kuhlhoff. Das gesamte Gespräch findet sich im aktuellen Heft „11 Freundinnen“, einer Beilage des Magazins „11 Freunde“.

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