zum Hauptinhalt

IOC-Präsidentschaft: Anständig erfolglos

Jacques Rogge hat im IOC entscheidende Reformen nicht durchgesetzt – Präsident bleibt er aber

Am Gesichtsausdruck des Versammlungsleiters lässt sich nicht ablesen, dass es hier um eine leichte Sache geht, um Sport und Spiel und Spaß. Es würde ihm auch nicht einfallen, nach stundenlangem Herumsitzen einmal alle aufstehen zu lassen für ein paar Kniebeugen oder ein lockerndes Schulterkreisen. Den Ernst legt Jacques Rogge einfach nicht ab, und der Belgier scheint immer ernster geworden zu sein, seitdem er vor acht Jahren zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewählt wurde.

Auch bei der Vollversammlung in Kopenhagen hat er wenig vom Witz und Charme ausgestrahlt, den er im privaten Gespräch versprüht. Er wirkt angespannt. Doch um die Verlängerung seiner Amtszeit um vier Jahre muss er sich keine Sorgen machen, es gibt an diesem Freitag keinen Gegenkandidaten. Um wenigstens etwas sportliche Herausforderung in dieAbstimmung zu bringen, verzichtet Rogge auf eine Wahl per Akklamation. Geheim sollen die Mitglieder darüber befinden, wie zufrieden sie mit ihrem Präsidenten sind.

Den Wohlstand des IOC hat er vermehrt. Die Rücklagen betragen inzwischen 455 Millionen Dollar, etwas mehr als 100 Millionen waren es bei Beginn seiner Amtszeit. Üppige Verträge mit Sponsoren und Fernsehanstalten garantieren dem IOC weiterhin einen rauschenden Geldfluss. Zudem hat der 67 Jahre alte Chirurg die Gleichberechtigung bei den Olympischen Spielen weit vorangebracht, auch beim Boxen nehmen 2012 in London Frauen teil und schließen damit die letzte Lücke. Olympia ist unter Rogge internationaler geworden, 2016 werden die Spiele in Rio de Janeiro einen neuen Kontinent erschließen. Doch das alles reicht nicht aus, um die Erwartung zu erfüllen, die Rogge bei seinem Amtsantritt geweckt hatte: ein Reformer zu sein.

Die großen Probleme der olympischen Bewegung – Doping, Kommerz und Gigantismus – hat er nicht verringern können. Zwar räumt das IOC in einem Thesenpapier der Dopingbekämpfung höchste Priorität ein, doch lassen wirksame Maßnahmen wie die Erhöhung von Forschungsmitteln auf sich warten. Der Gigantismus erreichte sogar unter Rogge einen neuen Höhepunkt, als die Chinesen das olympische Feuer vor den Spielen von Peking um die ganze Welt laufen ließen. Auf einmal schien das IOC und vor allem Rogge nicht mehr Herr über die eigenen Symbole und die eigenen Spiele zu sein. Und das Ziel der Nachhaltigkeit hat das IOC aufgegeben, als es die Winterspiele 2014 in den russischen Badeort Sotschi vergab, wo keine olympiareife Sportstätte stand.

Das IOC ist nicht das IOC Jacques Rogges geworden, es ist das IOC Juan Antonio Samaranchs geblieben. Den Einfluss seines Vorgängers und früheren Förderers hat Rogge bislang nicht zurückdrängen können. Auch in Kopenhagen zeigten die 32 Stimmen für Madrid bei der Abstimmung über den Austragungsort 2016, wie viele Mitglieder Samaranch noch mobilisieren kann.

Drei Viertel der IOC-Mitglieder sind in Samaranchs Amtszeit berufen worden. Viele fühlen sich dem 89-jährigen Spanier wohl immer noch verbunden. Statt wie Samaranch das Komitee straff zu führen, Strippen zu ziehen und Verbündete zu gewinnen, wollte Rogge das IOC mit seiner liberalen Mentalität und den besseren Argumenten überzeugen. Das Komitee verweigerte ihm dabei einige Male die Gefolgschaft, unter anderem bei der Entscheidung für Sotschi. Ihn ins Gemauschel hineinzuziehen, verbat er sich jedoch.

Inzwischen werden sogar Forderungen laut, die Standards wieder zu lockern, die nach dem Korruptionsskandal von Salt Lake City eingeführt worden waren. IOC-Mitglieder wollen die Bewerberstädte wieder selbst bereisen und nicht mehr alleine auf die Berichte der Evaluierungskommission angewiesen sein. Dem als anständig und ehrlich geltenden Rogge dürfte auch das nicht gefallen.

Unmittelbar nach seiner Wiederwahl am Freitag wird der Kampf um seine Nachfolge beginnen, und gleichzeitig sein Einfluss weiter sinken. Ein großes Projekt steht noch an, die Olympischen Jugendspiele, 2010 finden sie erstmals in Singapur statt. Die olympische Familie soll eine kleine Schwester bekommen, die Jugendliche für Olympia begeistert. So stellt es sich Rogge vor. Es wäre sein Vermächtnis, ein kleines eben – wenn schon die Reform der großen Spiele nicht geklappt hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false