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Sport: Italien zwingt sich zur Ruhe

In vielen Stadien rollt der Fußball ohne Fans und unter massivem Polizeischutz

Wunder gibt es immer wieder: Um dem für viel Geld frisch aus Madrid eingekauften Superstar Ronaldo eine Premiere vor leeren Rängen zu ersparen, haben die Stadt Mailand und der AC Milan in zwei Tagen geschafft, was sie in den zwei Jahren zuvor nicht zuwege gebracht hatten. Sie ließen das Meazza-Stadion in Mailand über Nacht mit 28 Zugangsschleusen und Metalldetektoren ausrüsten, wie das Gesetz es verlangt – und so wurde am Sonntagnachmittag das Serie-A-Spiel gegen Livorno in letzter Minute doch noch für das Publikum geöffnet. Immerhin die 37 297 Dauerkartenbesitzer des Berlusconi-Klubs erhielten Zugang; zur vollständigen Öffnung des Stadions fehlen noch 32 weitere Zugangsschleusen.

Damit mussten am Sonntag vier der zehn italienischen Spitzenbegegnungen vor leeren Rängen stattfinden. Vereine und Bürgermeister der betroffenen Städte riefen die Fans zur Ruhe und zum Fernsehschauen daheim auf. Nur Silvio Berlusconi meckerte. Er prangerte die Aussperrungen und das strenge Fußball-Dekret der Regierung von Romani Prodi als „freiheitsberaubend“ an: „Ich als Premierminister hätte so etwas nie gemacht." Dafür bekam er aus dem Innenministerium die kühle Antwort: „Wir setzen nur die Sicherheitsgesetze um, die Ihre Regierung vor zwei Jahren erlassen hat.“

Am Samstag, am traditionellen Spieltag der italienischen Serie B, hatten an die 50 000 Zuschauer auf ihren traditionellen Fußball verzichten müssen, weil sechs von elf Stadien die Sicherheitsvorschriften nicht erfüllen. Der Nachmittag verlief dennoch ruhig; vor den Stadien waren zwar die üblichen Polizeieinheiten aufmarschiert, die Fans aber blieben tatsächlich zu Hause.

Ruhig blieb es vor allem im notorisch gewaltbereiten Neapel, aus dem zunächst ein stark erhöhter Frustrationspegel der Fans gemeldet worden war. Immerhin setzten die Ultras gegenüber der Polizei durch, dass sie innen, auf den Rängen, ein Transparent aufhängen durften, adressiert an die Kicker von Neapel und Piacenza: „Das Gesetz trennt uns.“

Juventus Turin, infolge der Spiel- und Schiedsrichtermanipulationen des vergangenen Jahres in die Serie B verbannt, kam in Vicenza nur zu einem 2:2. Hier durften ausschließlich heimische Fans auf die Ränge – genau 9999 an der Zahl. Denn Vicenza ist eines jener Stadien, die zum Ärger des Innenministeriums ihre Kapazität nach unten frisiert haben, um sich teure Sicherheitsmaßnahmen zu ersparen; die sind ab 10 000 Plätzen fällig. Ein paar hundert Juventus-Fans, die trotz der Aussperrung nach Vicenza angereist waren, trugen ihre sonntägliche Fußballpartie untereinander aus – auf dem Platz vor dem Stadien. Ihr Motto: „Wir pfeifen auf das, was drinnen passiert.“

Zu den heißesten Spielen der Serie A am Sonntag wurde die Begegnung zwischen Messina und Catania gerechnet. Das San-Filippo-Stadien, eingeweiht 2004, ist zwar eines der modernsten Arenen Italiens; es erfüllt auch alle gesetzlichen Vorschriften – aus „Gründen der öffentlichen Sicherheit“ blieb es dennoch geschlossen: Die Polizei wollte um jeden Preis verhindern, dass die Cataneser Tifosi in die nur 90 Kilometer entfernte Nachbarstadt vordrangen. Randalierende Cataneser, die am Freitag vor einer Woche einen Polizisten erschlugen, sind Schuld an der gesamten Fußballsperre. Weil eine Art „Überfall“ auf das verfeindete Messina am Sonntag nicht ausgeschlossen wurde, bewachte die Polizei nicht nur das Stadion stark, sondern schon die Autobahn.

Nur dort, wo Fernsehkameras nicht hinschauen, kam es zu den üblichen Ausschreitungen: Nach einem Jugendspiel in Binasco, nahe Mailand, wurde der 18-jährige Schiedsrichter von vermummten Zuschauern krankenhausreif geprügelt. Und in Messina verprügelten sich Zuschauer einer Kreisliga-Partie gegenseitig; zwei von ihnen kamen ins Spital.

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