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Sport: Jagd auf die Maschine

Beim Dortmunder Schachturnier suchen die Spieler nach Wegen, den Supercomputer Hydra zu schlagen

Peter Leko und Michael Adams sitzen allein an einem Tisch. Zwischen ihnen ruhen Schachfiguren aus Holz. Die beiden Weltklassespieler haben im düsteren Presseraum des Dortmunder Schauspielhauses ihre Partie angeschaut. Eben waren sie noch Gegner, nun sitzen sie da wie Verbündete. Sie lachen, obwohl es eigentlich nichts zu lachen gibt. Der Brite Adams hat vor dem Turnier in Dortmund gegen einen viel stärkeren Gegner mit 0,5:5,5 Punkten verloren. Leko will wissen, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. Nicht, weil ihm Adams’ Erfolg besonders am Herzen liegt, sondern weil der Gegner auch seinen Ruf auf Dauer bedroht. Adams hat gegen Hydra verloren, den wohl stärksten Schachcomputer aller Zeiten.

Michael Adams führt keine Ausreden an – etwa, dass er schlecht vorbereitet gewesen sei. Er sagt, er habe in London „gegen einen unheimlich starken Gegner verloren“. Früher hätten die Maschinen in der Eröffnung regelmäßig kleine Fehler begangen, „aber Hydra nicht. Er spielt viel stärker als Deep Blue.“

Deep Blue hatte 1997 den damaligen Weltmeister Garry Kasparow 3,5:2,5 besiegt. Spätere Wettkämpfe zeigten aber, dass der Mensch in manchen Belangen weiterhin überlegen ist. Kasparow und Wladimir Kramnik erzielten jeweils ein 4:4 gegen das Programm Fritz.

Doch wo Fritz drei Millionen Züge pro Sekunde prüfen konnte, rechnen die 32 parallel geschalteten Hydra-Prozessoren etwa 200 Millionen Züge pro Sekunde durch. Die Hydra-Väter behaupten, ihr Supercomputer könnte innerhalb von anderthalb Minuten einen Fingerabdruck mit denen aller sechs Milliarden Menschen abgleichen. Welches Schachhirn soll da noch mithalten? Vielleicht Peter Leko. Derzeit ist der 25 Jahre alte Vize-Weltmeister auch beim Chessmeeting Favorit auf den Turniersieg. Vor der heutigen sechsten Runde hält Leko gemeinsam mit Arkadi Naiditsch und dem Holländer Loek van Wely die Spitze.

Der Frage, ob er gegen Hydra besser ausgesehen hätte, weicht Leko aus: „Wir wissen noch viel zu wenig über Hydra.“ Eines weiß er zumindest: Dass der Computer mit dem so genannten Eröffnungsbuch über einen entscheidenden Vorteil verfügt. Bei der Partie gegen Adams half Hydra das Wissen über die Eröffnungsvarianten aus etwa 50 000 Meisterpartien der Schachgeschichte. „Es ist nicht fair, wenn Computer auch noch Millionen Eröffnungszüge einprogrammiert bekommen“, sagt Leko. „Ich kann ja während der Partie auch nirgends nachgucken, wie man welche Variante spielt.“

Der deutsche Nationalspieler Christopher Lutz hält es unter diesen Bedingungen für nahezu unmöglich, dass ein Mensch gegen Hydra eine Partie gewinnen kann. Der Kölner tüftelt gemeinsam mit den Hydra-Schöpfern Christian Donninger und Ulf Lorenz an immer neuen Verbesserungen. „Großmeister haben immer noch Chancen, die Maschine strategisch zu überspielen, weil sie nicht alles kapiert“, sagt Lutz. „Ob man die Partie dann auch gewinnt, ist eine ganz andere Frage.“ Denn Hydra rechne 18 bis 20 Halbzüge perfekt voraus. Eine Möglichkeit, die Chancen der Menschen zu erhöhen, bestünde darin, dem Computer das Eröffnungsbuch wegzunehmen. Künftig werden Computer wohl schon ab dem ersten Zug selber rechnen müssen, damit Vergleiche zwischen Menschen und Maschinen spannend bleiben. „Wichtig ist, dass Hydra auch selber überlegt“, sagt Lutz.

Michael Adams wird dies nicht mehr helfen. Offenbar aber hat er seine Niederlage recht gut verarbeitet. Adams spielt in Dortmund ein solides Turnier: ein Sieg, eine Niederlage, drei Remis. Und er lächelt. Das ist vielleicht das Erfreulichste.

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