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Ein Mann kämpft um seinen Ruf. Manfred Amerell, der frühere Schiedsrichterobmann des Deutschen Fußball-Bundes, hier bei einem Gerichtstermin, hat die Steuerermittlungen gegen diverse Unparteiische durch monatelange Arbeit ins Rollen gebracht. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Jetzt wird abgerechnet

Der Steuerskandal zeigt: Das Insiderwissen des früheren Schiedsrichterobmanns Amerell bedroht den DFB

Berlin - Der ungebetene Besuch kam morgens um neun. Zwei Autos fuhren am Montag in die Auffahrt des Hauses der Familie Kempter im südbadischen Städtchen Sauldorf. Die Abordnung der Steuerfahndung verfolgte sehr genaue Interessen bei der Inspizierung der Wohnräume des Fußball-Schiedsrichters Michael Kempter. Ein Augenzeuge berichtete dem Tagesspiegel: „Sechs Fahnder gingen ins Haus. Nach gut zwei Stunden fuhren zwei von ihnen weg, die anderen blieben noch bis gegen zwölf Uhr im Haus.“

Es handelte sich offenbar um eine recht umfangreiche Aktion. Kempters Anwalt Christoph Schickhardt erklärte zwar, es habe „keine Hausdurchsuchung gegeben“. Zu solchen Zwangsmaßnahmen bestehe kein Anlass, „weil wir mit völlig offenen Karten spielen“. Streng juristisch gesehen gab es tatsächlich keine Durchsuchung, weil die Fahnder wohl problemlos in die Wohnung durften. Dann gilt die Aktion nicht als Durchsuchung.

Für den Bankkaufmann Michael Kempter ist das wiederholte Problem mit dem Finanzamt (bereits 2009 wurde er wegen Einkommensteuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 23 750 Euro verurteilt) unangenehm genug. Doch längst haben die Ausläufer der steuerrechtlichen Ermittlungen auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) erreicht. Ohne die Ermittlungen gegen Michael Kempter hätte sich die Staatsanwaltschaft wohl kaum für die Steuerangelegenheiten weiterer Schiedsrichter aus dem süddeutschen Raum interessiert. Mittlerweile wird gegen 22 Unparteiische ermittelt, unter ihnen auch Fifa-Schiedsrichter Felix Brych. DFB-Präsident Theo Zwanziger lehnt Schutzsperren für die verdächtigen Schiedsrichter derzeit ab.

Die neue Flut von Ermittlungen geht zurück auf den Streit zwischen dem früheren DFB-Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell und Michael Kempter. Kempter wirft Amerell sexuelle Belästigung vor und sagte in einem Prozess vor dem Landgericht Hechingen im Februar 2011 aus, Amerell habe sich in seinem Zimmer der Sportschule Barsinghausen auf der Couch genähert. Amerell bestreitet das aus Heftigste.

Die neuen Schlagzeilen über die Glaubwürdigkeit der deutschen Schiedsrichter sind auch ein Problem für den DFB-Präsidenten. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Amerell hatte Zwanziger im Februar 2010 seinem Vizepräsidenten Rainer Koch die Zuständigkeit für das Schiedsrichterwesen entzogen und es zur Chefsache gemacht. Zwanziger hatte sich schnell auf eine Rollenverteilung festgelegt: hier der ausgenutzte junge Schiedsrichter, dort der skrupellose, seine Macht ausnutzende Funktionär.

Dass dieses Schwarz-Weiß-Schema einer genaueren Überprüfung nicht würde standhalten können, war schon früh zu erkennen, als Amerell Details über die private Beziehung zwischen ihm und Kempter öffentlich machte. Und spätestens mit dem Bekanntwerden von Kempters steuerrechtlichen Verfehlungen hat der DFB ein neues, handfestes Problem. Seine Ausmaße kann der DFB in diesen bewegten Tagen noch kaum überblicken. Dem Tagesspiegel sagte Amerell: „Für mich war die Frage der Glaubwürdigkeit von Michael Kempter die wichtigste Frage.“ Er wolle auf keinen Fall dem deutschen Schiedsrichterwesen als solches schaden. „Das ist mein Lebenswerk.“

Amerell bestreitet nachdrücklich, er habe Kempter in Barsinghausen in seinem Zimmer getroffen. Er sei extra nach Barsinghausen gefahren, um das betreffende Zimmer zu fotografieren. „Da steht keine Couch. In keinem der Zimmer in Barsinghausen gibt es ein Sofa.“ Er habe darauf Unterlagen gewälzt, um zu prüfen, ob andere Treffen mit Kempter, die der Schiedsrichter geschildert habe, stattgefunden hätten. Weil seiner Ansicht nach Kempter unglaubwürdig sei, habe er auch eine Liste von Spielen aufgestellt, bei denen Kempter aktiv war. Könnte ja rein theoretisch sein, dass er die entsprechenden Einnahmen nicht versteuert habe. Amerell war ja auch auf den Strafbefehl gestoßen, den Kempter wegen Steuerhinterziehung erhalten hatte. Und weil er schon dabei war, prüfte er auch andere Namen. Zum Beispiel von den von Bundesliga-Schiedsrichter Felix Brych, bei dem Michael Kempter früher Linienrichter war. Insgesamt rund 5000 Spiele mit verschiedenen Unparteiischen listete Amerell letztlich auf.

Unabhängig von dieser Sisyphusarbeit hatte Amerell schon am 7. Oktober 2008 eine Mail an Brych und Kempter geschrieben mit der Aufforderung, ihre finanzielle Abrechnungen überaus korrekt anzufertigen: „Ihr seid beide so gut, die Leistungsträger der nächsten Jahrzehnte im DFB, das darf nicht mal wegen einer Kilometer-, Taxi oder Essensabrechnung passieren. Ich schreibe das auch so, damit ihr euer Umfeld nicht vergesst.“

Kempters Anwalt war am Mittwoch nicht zu erreichen. Der DFB reagierte auf eine Anfrage des Tagesspiegels nicht.

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