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Jewgeni Pluschenko ist raus.

© dpa

Jewgeni Pluschenko: Schaulaufen ins Abseits

Der eigenmächtige Eislauf-Star Jewgeni Pluschenko lief ohne Genehmigung bei lukrativen Galas anstatt bei der WM. Nun wird gesperrt – auch für Olympia.

Berlin - Schon die Geschichte mit dem Auto hörte sich ziemlich schräg an. Das Auto fährt jetzt irgendein Russe, Jewgeni Pluschenko musste es verkaufen, weil er Geld brauchte. Sein Trainer Alexej Mischin verlangt eine horrende Gage; dass Pluschenko Olympiasieger, dreimaliger Weltmeister und sechsmaliger Europameister ist, spielt keine Rolle. Aber ohne Mischin hätte er sich nicht auf die Eiskunstlauf-WM 2010 vorbereiten können. So geht die Geschichte in der Version von Pluschenko. Dass der Millionär kein Geld für seinen Trainer hat, ist ungefähr so glaubwürdig wie die Nachricht, die Erde sei eine Scheibe. Warum auch immer er sein Auto verkaufte, der Schaden hält sich in Grenzen. Er besitzt fünf weitere.

Bei der WM ist Pluschenko dann doch nicht gelaufen, und das hat definitiv mit Geld zu tun: Offiziell war der Russe verletzt, in Wirklichkeit lief er bei lukrativen Galas. Das hat jetzt Folgen: Der Weltverband ISU hat Pluschenko gesperrt. Und zwar ohne zeitliche Begrenzung. Damit fehlt der Russe auch bei den Olympischen Spielen 2014 – im russischen Sotschi.

Aber die Geschichte hinter dieser Nachricht ist einigermaßen mysteriös. „Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich die Nachricht gehört habe“, sagt Volker Waldeck, Mitglied der Schiedskommission der ISU. Denn Pluschenko ist der beste Läufer der Russen. „Wenn dem russischen Verband an Pluschenko gelegen ist, lässt er ihn nicht einfach so fallen“, sagt ein hochrangiger Insider der ISU. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ISU Pluschenko ohne Abstimmung mit dem russischen Verband einfach so sperrt“, sagt auch Reinhard Ketterer, der Leitende Landestrainer in Berlin. Natürlich gibt es klare Regeln der ISU, aber hinter den Kulissen wird auch immer Politik betrieben. Und der Einfluss der Russen in der ISU ist traditionell groß. Chef des Technischen Komitees zum Beispiel ist Alexander Lakernik, ein Russe.

Pluschenko hat definitiv gegen Regeln verstoßen. Für die Schaulaufen hätte er eine Genehmigung des russischen Verbands gebraucht. Ohne Erlaubnis hätte er nicht starten dürfen. Konsequenz ist die Sperre, beschlossen vom ISU-Council.

Die Frage ist nun: Haben die Russen wirklich nicht hinter den Kulissen gegen diesen Entschluss gearbeitet? Und wenn ja: warum nicht? Pluschenko ist für Millionen Fans in Russland immer noch eine Art Popstar. Dass er bei den Olympischen Spielen in Vancouver hinter Evan Lysacek (USA) nur Silber gewann, sorgte in Russland für Dramen. Betrugsvorwürfe kursierten. Eine russische Juwelierfirma überreichte Pluschenko eine Medaille aus purem Gold mit der Inschrift: „Dem Sieger Jewgeni Pluschenko für die unübertroffene Meisterschaft vom russischen Volk.“ Und Ministerpräsident Putin schrieb dem Olympiazweiten, dessen Silber sei Gold wert gewesen.

Russische TV-Journalisten kamen am Tag nach der Kür extra in Ketterers Büro, im Gepäck eine DVD mit dem gesamten Kür-Wettbewerb. Vor laufender Kamera musste Ketterer die Leistungen kommentieren. Seine Einschätzung: „Ich habe Pluschenko knapp vorne gesehen.“ Die Sequenz mit Ketterer lief am Abend zur Primetime als Teil einer einstündigen Sendung über den „Fall Pluschenko“.

Allerdings gibt es genügend Leute, darunter wohl auch viele Funktionäre, denen Pluschenkos Egozentrik enorm auf die Nerven geht. Er vergnügte sich im St. Petersburger Nachtleben, lässt sich von seiner Frau, einer Musikproduzentin, vermarkten und wohnte bei der WM-Vorbereitung in einem Apartment, das ihm der Staat zur Verfügung stellte. Seine eigene Wohnung in der Stadt benutzt er nicht, angeblich war sie lukrativ vermietet. Dass er eigenmächtig bei Galas startet, passt dann ins Gesamtbild. Vielleicht hatten einige Funktionäre jetzt schlicht genug von Pluschenkos Solonummern.

Der Star kann beim Internationalen Sport-Gerichtshof (Cas) Beschwerde einlegen. Sollte der gegen Pluschenko entscheiden, bleibt dem dreimaligen Weltmeister nur der Kotau. „Dann muss er Bitte-Bitte machen und einen Antrag auf Starterlaubnis für ISU-Wettbewerbe machen“, sagt der Jurist Waldeck. Aber wieder aufgenommen würde er dann auch nur nach einer Karenzzeit.

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