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Im Haifischbecken: John Degenkolb beim Prolog zur Tour de France 2015.

© dpa

John Degenkolb bei der Tour de France: Mit Finesse und Pflastersteinen zum Etappensieg

Nach der Nichtberücksichtigung von Marcel Kittel hofft John Degenkolb bei der Tour de France auf Etappensiege - besonders in der ersten Woche.

John Degenkolb ist ein Freund des Windes. Nach dem Zeitfahren am Samstag bei der Tour de France blickte er zu den vom Wind bewegten Bäumen in Utrecht. Für die zweite Etappe am Sonntag hoffte er auf noch mehr Wind. Denn Wind macht das Rennen schwer. Er reißt von der Seite kommend das Feld auseinander. Von vorn kommend erhöht er die Kraftanstrengungen. Degenkolb, kein Sprinter, der über die Explosivität kommt, sondern einer, dessen Kraftausdauer enorm ist, liebt solche Bedingungen. „Finessen“ nennt er es, wenn das Rennen schwer wird.

Von Widrigkeiten wurden die Fahrer am Sonntag wie erwartet nicht verschont: Zeitweise musste sich das Peloton durch Regengüsse und Pfützen arbeiten, am Ende der 166 Kilometer zwischen Utrecht und Zeeland sprintete André Greipel als Etappensieger ins Ziel. Degenkolb kam mit dem Hauptfeld knapp eineinhalb Minuten später ins Ziel, das Gelbe Trikot übernahm der Schweizer Fabian Cancellara.

Für Degenkolb fängt der Spaß erst ab Windstärke vier an. „Bei Windstärken zwischen 1 und 3 passiert bei der Tour überhaupt nichts, weil das Niveau aller Fahrer so hoch ist und alle vorne fahren wollen“, sagt er. „Da wird sich immer eine Traube bilden und ein Team finden, das im Wind fährt, um seinen Kapitän vorn zu halten.“ Die zweite Etappe der diesjährigen Tour de France war nur eine von mehreren in der ersten Woche, bei denen sich Degenkolb Chancen ausgerechnet hat. „Danach kommt die Mauer von Huy und am Dienstag des Kopfsteinpflaster von Paris - Roubaix“, sagt er. „Jede Etappe ist anders, jede hat ihre eigenen Finessen.“

John Degenkolbs Ziel ist ein Sieg bei der vierten Etappe

Vor allem auf die vierte Etappe nach Cambrai am Dienstag hat Degenkolb ein Auge geworfen. Er kennt die sieben Pflastersteinabschnitte genau. Im April hat er hier den Klassiker Paris - Roubaix gewonnen. Einen Pflasterstein hat er sogar zu Haus – als Siegestrophäe. „Ich habe jetzt nicht Tschüss zu ihm gesagt“, meint er lachend. Aber die Gedanken an seinen bisher größten Triumph und die Chance auf eine Wiederholung bei der Tour begleiten ihn. Degenkolb will am liebsten hier seinen ersten Touretappensieg feiern.

Weil alle dies von ihm erwarten – die eigenen Fans, aber auch die Rivalen – versucht er, den Druck zu reduzieren. „Ich glaube nicht, dass man diese Etappe mit Paris - Roubaix vergleichen kann. Das ist etwas anderes, eine andere Situation, andere Fahrerfelder“, meint er. „Deshalb brauche ich mir keinen Druck zu machen. Aber es fragen natürlich viele Leute danach. Und dann muss man antworten und locker bleiben.“

Locker ist er. Degenkolb nimmt an seiner mittlerweile dritten Tour de France teil. Er hat nicht mehr die Aufregung des Debütanten. Ganz unbeeindruckt bleibt er von der Tour aber auch nicht. „Als ich beim Prolog auf die Strecke gegangen bin und all die Zuschauer gesehen habe, da war das ein Gefühl, als wenn ich in ein Haifischbecken geworfen worden wäre“, beschreibt er den Auftakt. Die Aufgabe sei dann, „mit dem emotionalen Druck umzugehen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“.

Fehlen von Marcel Kittel als Chance

Das Wesentliche ist für ihn bei dieser Tour sogar etwas einfacher geworden. Bei Sprintankünften fährt sein Team Giant Alpecin nun allein für ihn. Die bisherige Aufteilung – Massensprints für den achtfachen Etappensieger Marcel Kittel, schwere Ankünfte für Degenkolb – gilt nicht mehr, weil Kittel wegen Formrückstands vom Rennstall nicht berücksichtigt wurde. Degenkolb sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Das spielt mir in die Karten, wie das gekommen ist“, sagt er. „Ich bin aber traurig für Marcel, dass er so eine Enttäuschung hinnehmen muss, hier nicht dabei zu sein. Aber ich sehe das auch als eine große Chance für mich an."

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