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Jürgen Klinsmann: Bayern München: Schluss mit Tohuwabohu

Gegen Wolfsburg beweist Bayern-Trainer Klinsmann taktisches Geschick – nun muss er an der Konstanz arbeiten

Das Gesicht von Jürgen Klinsmann blieb starr, wie eingefroren. Kein fröhliches Zusammenkneifen der Augen war da zu sehen, nicht einmal ein Zucken der Mundwinkel. In Klinsmann brodelte der Ärger, er hatte sich aufgestaut wie der Dampf in einem Schnellkochtopf. Dabei hatte gerade, in der 41. Minute, Franck Ribéry das 1:2 gegen den VfL Wolfsburg geschossen. Eigentlich war das eine gute Gelegenheit, ein bisschen Dampf abzulassen. Aufspringen, ein bisschen mit Armen und Fäusten herumfuchteln, so etwas hilft oft. Aber bei Klinsmann klemmte das Ventil.

Kurz darauf war Pause, jetzt war Klinsmann in der Pflicht, er musste heraus aus seiner Starre. Zwar habe er kein Donnerwetter veranstaltet, sagte der Trainer des FC Bayern nach der Partie. Aber eine feurige Ansprache muss es gewesen sein. „Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir sehr dringend anfangen müssen, besser in die Zweikämpfe zu kommen, dass wir sie aggressiver, vielleicht auch bösartiger angehen müssen“, erzählte Klinsmann. 0:2 hatten die Bayern nach gut einer halben Stunde zurückgelegen, durch ein Elfmetertor von Grafite und einen Kopfballtreffer von Edin Dzeko. Erst in der zweiten Halbzeit drehten die Bayern das Spiel. Mark van Bommel, Tim Borowski und Bastian Schweinsteiger schossen noch einen 4:2-Sieg heraus. Bei diesen Toren jubelte dann auch Jürgen Klinsmann wieder, als wäre nichts gewesen.

Viel wurde nach der Partie über die Willensleistung der Bayernspieler räsoniert. Doch das Spiel war auch ein großer Sieg für den Jungtrainer Klinsmann. In der Pause nahm er den schwachen Massimo Oddo heraus und brachte den Mittelfeld-Universalspieler Tim Borowski. Zé Roberto rückte auf die Linksverteidigerposition und Christian Lell dafür auf Oddos Posten am rechten Ende der Abwehrkette. Dank Zé Roberto beruhigte sich die Lage zumindest auf einer der beiden Abwehrseiten. Und Tim Borowski brachte Schwung in den Angriff. Vor gut einem Monat war es noch ganz anders gelaufen. Im Spiel gegen Werder Bremen stand es zur Halbzeit 0:2, Klinsmann wechselte zweimal. Wenig später stand es 0:5 (einer der damals Eingewechselten war übrigens Tim Borowski, der immerhin noch zwei Tore erzielte und inzwischen mit vier Treffern in neun Teilzeiteinsätzen erfolgreichster Bayern-Torschütze ist). Damals fehlte dem Trainer noch das Gespür für die taktischen Notwendigkeiten. Gegen Wolfsburg hatte er es. Und nebenbei fand Klinsmann damit vermutlich das passende Abwehr-Provisorium, um die Wochen ohne den verletzten Philipp Lahm zu überbrücken.

Doch es ist nicht zu übersehen und zu überhören, dass der Wankelmut seiner Mannschaft an Klinsmann zehrt. „Das hat viel Kraft gekostet heute“, sagte er. Das war auch auf ihn selbst zu beziehen. Klinsmann sah hundemüde aus. Und diesmal stand ihm der Sinn auch nicht nach der üblichen Wir-sind-in-einem-Prozess-und-alles-wird-super-Rhetorik. Als er die Gründe für das ewige Tohuwabohu in der eigenen Defensive erklären sollte, griff er zu ungewohnt deutlichen Worten: „Im Moment sind wir nicht in der Lage, als kompakte Mannschaft in der Rückwärtsbewegung zu arbeiten. Das geht vorn los beim Sturm, geht weiter im Mittelfeld, und die Ärmsten sind die Verteidiger und der Torwart. Wir müssen langsam Stabilität und Konstanz gewinnen.“

Der Mannschaft diese Trägheit auszutreiben wird die nächste große Herausforderung für den Jungtrainer Klinsmann. Im Moment, so viel dürfte feststehen, sehnt sich selbst ein Offensivdenker wie er mal nach einem grundsoliden 2:0.

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