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Überzeugende Leistung. Philipp Kohlschreiber hat wieder Selbstvertrauen.

© dpa

Tennis: Kohlschreibers Rasen-Kur

Ein Sieg für mehr Balance: Philipp Kohlschreiber steht im Finale von Halle. Im rein deutschen Endspiel trifft er am Sonntag auf Philipp Petzschner.

Der Ball blieb im Netz hängen und Philipp Kohlschreiber riss die Arme in die Höhe. Eine kämpferisch geballte Faust folgte, mit der er seinen 6:3 und 6:3-Sieg gegen Gael Monfils feierte. Der Weltranglistenachte aus Frankreich hatte weit unter seinen Möglichkeiten gespielt, dafür setzte Kohlschreiber den positiven Trend bei seinem Wohlfühlturnier im westfälischen Halle fort, wo er nun zum zweiten Mal in seiner Karriere am Sonntag im Finale steht (13.05 Uhr, live im ZDF). Dort trifft Kohlschreiber in einem deutschen Endspiel auf Philipp Petzschner, der Tomas Berdych in einem hochklassigen Match 7:6 (9:7), 2:6, 6:3 niederrang.

Philipp Kohlschreiber hat sein Erfolg im Halbfinale „richtig gut getan. Letzte Woche hatte ich noch kein Selbstvertrauen.“ Es ist ein Zwischenhoch für ihn. Wie lange der Effekt seiner Rasen-Kur andauern wird, zeigt sich spätestens nach Wimbledon. Dann wird klar, ob Siegen, wie Kohlschreiber sagte, wirklich „die Heilung“ für seine Krise gewesen ist. Aber auch ein Sieg gegen den Titelverteidiger Lleyton Hewitt und nun die gute Leistung gegen Monfils können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kohlschreiber wohl mehr Erfolge benötigt, um seine Probleme in den Griff zu bekommen. Erst zwei Wochen ist es her, als er enttäuscht im Presseraum Nummer 2 von Roland Garros saß und keinen Rat mehr wusste. „Ich will ja“, hatte Kohlschreiber gesagt, „aber es will nicht, wie ich will.“ Das Aus in der ersten Runde der French Open war ein weiterer Rückschlag. Dabei hatte sich der 27 Jahre alte Augsburger so viel vorgenommen für die nächste Phase seiner Karriere, die ihn doch endlich unter die besten 20 Spieler der Welt führen sollte.

Dafür hatte er im Winter mit Miles Maclagan den ehemaligen Coach von Topstar Andy Murray verpflichtet. Doch ein halbes Jahr später muss Kohlschreiber feststellen, dass der Weg im Ranking steil abwärts führte. Inzwischen liegt er nur noch auf Rang 49. „Ich habe keine Krise, es ist nur eine kleine Talfahrt“, sagte Kohlschreiber vor Halle. Inzwischen wird er wohl zur Tennis-Base in Oberhaching zurückwechseln – obwohl er sich dort zuletzt eingeengt gefühlt hatte und lieber eigenverantwortlich arbeiten wollte. Die Zeichen verdichten sich jedoch, denn der Brite Maclagan ist in Halle nicht dabei – dafür sitzt mit Stefan Eriksson bereits einer der Base-Trainer wieder in Kohlschreibers Box.

Dennoch gibt es Zweifel, ob Kohlschreiber ernsthaft gewillt ist, jene Änderungen in seinem Spiel und seiner Einstellung vorzunehmen, die es bedarf, um tatsächlich den Schritt in die elitären Regionen der Rangliste zu schaffen. Schon die Zusammenarbeit mit dem Schweden Thomas Hogstedt blieb vor zwei Jahren ein kurzes Intermezzo. Kohlschreiber hatte sich dagegen gesträubt, die Ansätze des erfahrenen Top-Trainers anzunehmen. Er wollte am Grundsätzlichen nichts ändern. Dass er in den Monaten nach der Trennung bis auf Rang 22 stürmte, sah Kohlschreiber als Bestätigung. Doch seine Leistung stagnierte, und wieder kündigte er den Umbruch an. Doch Maclagan ist nicht für eine harte Hand bekannt, auch Murray bestätigte er stets in dem, was der als Marschroute vorgab. Dass mit diesem Prinzip die Entwicklung schnell ins Stocken gerät, merkte nun Kohlschreiber, der in Maclagan wohl kaum mehr als einen Kumpeltyp sieht.

„Ich habe das Jahr mit zu hohen Erwartungen begonnen“, sagte Kohlschreiber, „als die Erfolge nicht kamen, wurde der Druck immer größer. Da ist eine Disbalance entstanden.“ Auf dem Rasen von Halle hat er seine Balance langsam wiedergefunden. Der Turniersieg würde noch mehr helfen, es wäre Kohlschreibers erster seit dreieinhalb Jahren.

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