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Was bleibt? Auch beim Berlin-Marathon oft viel zu viel Müll.

© Kai-Uwe Heinrich

Kolumne „Losgelaufen“: Nachhaltigkeit fängt bei jedem selbst an – auch beim Laufen

Unsere Kolumnistin findet, auch Läufer sollten die Umwelt im Blick behalten. Doch gerade bei großen Veranstaltungen türmt sich oft der Müll.

Jeannette Hagen ist freie Autorin in Berlin, Sportlehrerin und Läuferin. Hier schreibt sie im Wechsel mit Radsporttrainer Michael Wiedersich.

Wenn ich an den Berlin-Marathon vor knapp einem Jahr zurückdenke, dann gab es neben dem Anblick meiner jubelnden Tochter noch ein Bild, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist: die Berge weggeworfener Laufjacken, -hosen und Shirts im Startbereich. Ich war fassungslos angesichts der Menge, wusste damals allerdings nicht, dass diese Sachen eingesammelt und gespendet wurden. Als ich es später las, blieb trotzdem ein schaler Nachgeschmack. 

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Die vielen Sammelcontainer, die in der Stadt stehen, fielen mir ein und eine Doku darüber, wie mit solchen „Spenden“ die lokale Textilindustrie der Entwicklungsländer in Afrika oder in anderen Teilen der Erde zerstört wird. Selten landen die Sachen dort, wo sie gebraucht werden – bei den Bedürftigen.

Ich habe nicht verfolgen können, was mit den Tonnen an Laufbekleidung, die beim Berlin-Marathon eingesammelt wurden, geschehen ist. Mir ist beim Anblick nur einmal mehr bewusst geworden, in welchem Überfluss wir leben und wie unbedarft wir immer noch mit Ressourcen umgehen. Nun ist der Laufsport, vom einzelnen ausgeführt, an sich ja eher ein ressourcenschonender Sport. Man geht vor die Tür, atmet möglicherweise etwas mehr CO2 aus als beim Gehen, aber im Vergleich zu materialintensiven Sportarten fällt das in der Öko-Bilanz wohl kaum ins Gewicht. Anders sieht die Bilanz aus, wenn man auf die großen Events schaut. Da türmen sich nicht nur die Klamotten, sondern auch der Müll. 

Viele Läuferinnen und Läufer fliegen um die halbe Welt, um an Läufen teilzunehmen

Da fahren oder fliegen viele Läufer und Läuferinnen um die halbe Welt, um an ausgewählten Läufen teilzunehmen. Wem die Zukunft der Kinder und Enkel dieser Welt nicht gleichgültig ist, der wird nicht umhinkommen, Mobilität und Konsum im Rahmen des Freizeittreibens irgendwann mal zu hinterfragen.

Natürlich fängt man damit am besten dort an, wo man den meisten Einfluss hat: beim eigenen Verhalten. Ich neige ja, wie hier an dieser Stelle bereits erwähnt, bei den Laufschuhen dazu, sie bis zum Zerfall zu tragen, ehe ich neue kaufe. Gleichzeitig boykottiere ich stoisch den saisonalen Erwerb von Laufsachen. Ich sage es ganz offen: Es ist mir egal, ob ich beim Laufen schlonzig aussehe. Wenn bei einem bekannten Kaffeeröster oder im Supermarkt um die Ecke die „Laufwoche“ angezeigt ist, schaue ich in meine Schublade, wo die Sportsachen liegen und denke: Alles, was du brauchst, ist da.

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Nachhaltigkeit bedeutet für mich, einfach nichts oder höchst selten etwas zu kaufen. Dass meine Schublade trotzdem voll ist, liegt an dem kleinen Flohmarkt, der bei mir im Wohnhaus bestens floriert und wo ab und zu ein geeignetes Shirt zu finden ist. Dass das meist kein echtes Laufshirt ist, damit lebe ich seit vielen Jahren gerne und gut. 

Mir ist bewusst, dass das nicht jedermanns Sache ist, das darf und soll auch bitte jeder oder jede so halten, wie es ihm oder ihr am besten passt. Ich für mich habe beschlossen, es so zu machen, ähnlich wie ich auch beschlossen habe, meinen Müll zu reduzieren, indem ich mein Waschmittel im Nachfüllbeutel oder demnächst im neu eröffneten Unverpackt-Laden um die Ecke einkaufe. Früher hieß es ja immer, dass wir mit unserem Leben Spuren hinterlassen sollen. Ich finde, dass es an der Zeit ist, das als Läufer oder Läuferin wenigstens in ökologischer Hinsicht auch mal zu überdenken.

Jeannette Hagen

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