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Was ist normal? Und was ist verrückt? Belastung und richtige Selbsteinschätzung sind wichtige Themen unter Läufern.

© dpa

Kolumne: So läuft es: Glauben Sie keiner Studie!

Eine neue Studie besagt: zu viel laufen kann schädlich sein. Unseren Kolumnisten macht diese These sehr, sehr müde.

Dem gesunden Läufer sind Studien und Experten im Grunde völlig egal. Und das ist auch ganz gut so. Wer regelmäßig läuft, der kennt seinen Körper sehr genau und ist sein eigener Experte. Weil jeder Körper komplett anders tickt, muss jeder Läufer sein eigenes Maß für sich finden.

Was mich persönlich sehr sehr müde macht, sind Wissenschaftler, die genau – und zwar auf die Minute – wissen, wieviel von der eigenen Lauferei gesund sein soll. Und ab welcher Minute wir alle den qualvollen Herztod sterben. Natürlich beim Marathon. Wo sonst? Denn – Achtung! Neu! – Marathon zu laufen ist unglaublich ungesund. Stimmt. Macht aber auch irre viel Spaß. Also: Lasst die Leute doch laufen!

Die spielverderbenden Wissenschaftler kommen aktuell aus Dänemark. Klare Jacke: Dänen lügen nicht. Aber was sagt die Studie des Frederiksberg Hospitals in Kopenhagen denn nun eigentlich aus? Das bahnbrechende Ergebnis lautet vereinfacht: zu viel laufen kann schädlich sein. Wow! Und dafür braucht man jetzt eine Studie? Echt jetzt?

Die Forscher veröffentlichten die Studie im Journal of The American College of Cardiology. Dort schreiben sie, dass mehr als zweieinhalb Stunden joggen pro Woche schädlich sein kann. Grundlage der Studie waren die Daten der „Copenhagen City Heart Study“, in deren Rahmen 1098 gesunde Läufer und 3950 gesunde Nicht-Läufer jahrelang im Fokus standen. Dabei wichtig: Der Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit der Personen und der Intensität des Laufens. Das Ergebnis war natürlich für alle Viel- und Langstreckenläufer erschütternd: Die niedrigste Sterblichkeit lag bei den Joggern, die nicht mehr als zweieinhalb Stunden pro Woche zurücklegten – also ungefähr drei Mal acht bis zehn Kilometer auf die Strecke bringen. Achtung! Auch neu: körperliche Bewegung ist gesundheitsförderlich! (Ironieknopf aus)

Die Studien machen nur bedingt Sinn - weil jeder Körper anders

Was die Forscher aber – und das ist wirklich wertvoll – auch herausfanden: 30 Prozent derer, die körperlich aktiv sind, leben länger. Wer aber mehr als zweieinhalb Stunden läuft, der lebt quasi ebenso ungesund wie ein Nicht-Läufer. Und genau hier ist der Punkt: Es ist einfach eine Studie. Und die Zahl der Menschen, die daran teilnahmen, ist deutlich zu gering. Ferner: Aus der Studie geht nicht hervor, wie der Trainingszustand der Rezipienten war. Wir wissen nichts über wichtige Parameter wie Alter, Lebensgewohnheiten, Essverhalten oder auch Kenntnisse über den Gesundheitszustand.

Dazu kommt: zweieinhalb Stunden pro Woche kann für den einen schon viel zu viel sein, für den anderen ist es das Tagespensum. Und zwar je nach Trainings- und Gesundheitszustand. Alleine schon deshalb machen solche Studien nicht unbedingt Sinn.

Man kann und darf diese Art Forschung per se gerne skeptisch betrachten. Wir haben ungefähr 20 Millionen Läufer in Deutschland. Und wir wollen diese enorme Zahl in ein zweieinhalb-Stunden-Fenster pressen?

Diese Logik muss man uns Läufern erstmal erklären. Bis dahin laufen wir. Jeder so, wie er mag. Jeder so lang und so oft, wie er mag. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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