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Späte Rede. Sieben Wochen nach der Schwimm-WM begründet Britta Steffen ihre schwache Leistung. Foto: dapd

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Sport: Last auf der Seele

Britta Steffen erklärt erstmals ihre WM-Flucht

Berlin - Es ist eine als Pressekonferenz getarnte Zeitreise, zu der Britta Steffen am Freitagabend im dritten Stock des Olympiastützpunktes Hohenschönhausen geladen hat. Und weil so etwas nicht alltäglich ist, begrüßt die blonde Schwimmerin jeden der 25 Mitreisenden im Raum freundlich per Handschlag. „So kennt man mich“, sagt Britta Steffen und setzt sich an die Stirnseite des Tisches neben ihre zwei Managerinnen. Sie trägt eine rote Trainingsjacke, die unterstreicht, dass sie ihr Höhentrainingslager unterbrochen hat, um diesen wichtigen Termin wahrzunehmen. So wichtig, dass sie sich gar nicht erst mit Vorreden aufhält, sondern sofort ohne Unterlass lossprudelt: „Ich bin mit Erwartungen angereist, die nicht weniger waren, als dass ich in Schanghai eine Medaille gewinne.“ Schanghai?

Ach ja, die Zeitreise hat begonnen, wir sind mittendrin bei der Schwimm-WM in Schanghai und schreiben den 28. Juli 2011. Wir sind im Hotel, wo sie ihr Freund, der Weltklasseschwimmer Paul Biedermann, über den 16. Platz im Vorlauf über 100 Meter Freistil trösten will. „Ich habe nur geweint“, erinnert sie sich. Wir sind bei ihrer Zimmerkollegin Sarah Poewe, die noch ein Rennen hat, dann bei der Lagenstaffel, die Britta Steffen nicht im Stich gelassen haben will, weil sie nach den Zeiten in Schanghai nur Nummer drei im eigenen Team war und demnach keinen Anspruch auf einen Platz in der Staffel gehabt haben will. Dann geht die verbale Reise zurück nach Peking 2008, und, schwupps, wieder nach vorne, ins Taxi in Schanghai, in dem sie Sportdirektor Lutz Buschkow von ihrer Abreise informiert, dann zum Flughafen in Schanghai, wo sie zehn Stunden lang warten muss, aber niemand vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) sich bei ihr meldet, um sie umzustimmen.

Es klingt, als sei es gestern passiert. Und liegt doch sieben Wochen zurück. Sie habe alles erst analysieren müssen, erklärt Britta Steffen. Nun aber rechtfertigt sie sich eine Stunde lang, warum sie an jenem 28. Juli überstürzt die WM verlassen hat. „Tathergang“, nennt sie das, „wir sind ja jetzt im kriminellen Milieu“. Es sollte ein Witz sein, doch es klingt verbittert. Die öffentliche Kritik hat sie getroffen. „Da lernt man, wer seine richtigen Freunde sind“, sagt sie. Inzwischen gibt sie zu, dass die Abreise überhastet war. „Ich habe vielleicht übereilt reagiert, aber ich würde das heute wieder machen.“ Denn sie habe das Team nicht mit ihrer Enttäuschung runterziehen wollen. „Das war pro Mannschaft und nicht anti“, glaubt sie.

Doch es dürfte nicht im Sinne des Verbandes sein, wenn Athleten bei Großveranstaltungen vorzeitig abreisen. Eine Reaktion des DSV steht noch aus, eine Sanktion ist weiterhin möglich. „Ich fühle mich aber genug bestraft“, sagt Britta Steffen. Zu der Enttäuschung über die eigene Leistung seien die Kosten für das Umbuchen des Rückfluges gekommen, 4500 Euro. „Was meint ihr, sollte ich bestraft werden?“ fragt sie die Journalisten. Zwar hat sie inzwischen mit Sportdirektor Lutz Buschkow in Kienbaum gesprochen. Doch aus ihren Worten lässt sich erahnen, dass der Vorfall weiterhin nicht aufgearbeitet ist.

Immerhin weiß sie nun, woran die enttäuschenden Leistungen bei der WM gelegen haben. „Es war kein Kopfproblem, sondern ein physiologisches“, sagt sie. „Ich hatte aufgrund von Krankheiten ein halbes Jahr nicht Ausdauer trainiert.“ Deshalb sei sie nach 75 Metern eingebrochen. Und sie habe ein falsches Krafttraining absolviert. „Ich war fit an Land, hatte aber Muskeln, die man beim Schwimmen nicht braucht.“ Weil ihr auch Wettkampfhärte gefehlt habe, werde sie vor den Olympischen Spielen 2012 zehn bis fünfzehn Wettkämpfe absolvieren. „Ich freue mich auf Olympia“, sagt sie, „ich bin froh, dass ich jetzt in die neue Saison gehen kann.“ Jetzt, nachdem sie sich eine Last von der Seele geredet hat.

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