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Locker vorne. Sprinter Usain Bolt, hier beim WM-Vorlauf in Daegu, will als einer der besten Athleten aller Zeiten in die Geschichte eingehen.

© dpa

Usain Bolt: Lauf zur eigenen Legende

Usain Bolt gilt als der unbesiegbare Star, heute will der Sprinter allen seine Show zeigen. Doch jede Fabelzeit des Jamaikaners stärkt auch den Verdacht

Der DJ trug ein T-Shirt mit brüllenden Löwenköpfen, er blickte total cool, und dann versagte er. Er drückte auf einen der vielen Knöpfe seines digitalen Plattentellers, und plötzlich herrschte Stille. Kein Laut drang aus den riesigen Boxen in einem Kaufhaus am Münchner Stachus. Gespenstische Stille, dann dröhnten auf einmal wieder Beats in die Ohren der Kunden und Journalisten.

Er ist also doch nicht perfekt, dieser Usain Bolt. Zumindest nicht als Aushilfs-DJ, der bei einem PR-Termin im November 2010 kurz hinters Mischpult kletterte und den etatmäßigen DJ unterstützte.

Bei der Leichtathletik-WM in Daegu wird seine Show perfekter ablaufen, Usain Bolt wird heute wohl Weltmeister über 100 Meter werden (13.45 Uhr MESZ, live in der ARD). Im Vorlauf am Samstag qualifizierte er sich in 10,10 Sekunden problemlos fürs Halbfinale. Ist das alles nur noch eine Show für ihn? Eine Mission, das trifft es schon eher. Usain Bolt aus Jamaika, dreimaliger Olympiasieger, dreimaliger Weltmeister von 2009, Weltrekordler über 100 und 200 Meter, verkündete in Daegu: „Ich will als einer der besten Athleten aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen. Ich will eine Legende werden.“

Drei Titel will Bolt bei dieser WM: über 100 Meter, über 200 Meter, in der Staffel. Die wichtigste Show aber ist das 100-Meter-Finale, das klassischste der Sprintduelle. Aber diesmal hätte die Show spannender werden können als 2009. Bolt ist in diesem Jahr erst 9,88 Sekunden gelaufen, das hat vielleicht auch mit körperlichen Beschwerden zu tun. Sein Landsmann Asafa Powell lief dagegen schon 9,78 Sekunden. Aber Powell und Tyson Gay (USA), der Mann, der Bolt 2010 in Stockholm besiegt hatte, sind verletzt. Bleibt noch Richard Thompson, der Olympiazweite aus Trinidad, Saisonbestzeit 9,85 Sekunden. Und wenn er Bolt schlägt? Heute, im Finale?

Dann hat die Leichathletik ihre Sensation. Die Übergröße Bolt würde sehr schnell noch größer, weil er bei nächster Gelegenheit Thompson bestrafen würde. Ihn in einem Rennen, für eine horrende Gage natürlich, versuchen zu demütigen. Rache für Daegu.

Alles kreist derzeit um Bolt. Er ist die größte Attraktion der Leichtathletik, ein Showman, der alle Emotionen bedient. Überragend in seinen Leistungen, provozierend genug mit seinen Sprüchen und Jubelposen. Die Fans bewundern ihn für seine Überlegenheit und fiebern zugleich dem Moment entgegen, in dem er, das Denkmal, stürzt. Die perfekte Mischung für größtmögliche Werbung.

Die südkoreanische Zeitung „The Dong-A-Ilbo“ gesteht ihm einen „Rockstar-Status“ zu, sein Hauptsponsor bezeichnete ihn „als bestbezahlten Leichtathleten der Welt“, zu Hause, in Jamaika, haben sie einen Autobahn-Abschnitt zum „Usain-Bolt-Highway“ ernannt, und Lamine Diack, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbands IAAF, hätte wohl am liebsten andächtig die Hände gefaltet, als er zu Bolt sagte: „Sie machen den Sport größer und größer.“

In gewisser Hinsicht stimmt das natürlich. Der Firmenchef von Bolts Hauptsponsor taxierte allein den Werbewert der Olympia-Auftritte des Jamaikaners für sein Unternehmen auf 250 Millionen Dollar. Und das war vor Bolts legendären Weltrekorden in Berlin, die 9,58 Sekunden über 100 und die 19,19 Sekunden über 200 Meter bei der WM 2009. Jetzt ist Bolt noch mehr wert. „Die Leute lieben Rekorde“, sagt Richard Thompson völlig richtig.

Doch das ist auch das Problem bei der ganzen Geschichte. Bei jedem Rekord wird die Fragwürdigkeit der Leistung größer. Die US-Amerikaner Tim Montgomery und Justin Gatlin hielten auch mal den 100-Meter-Weltrekord. Beide wurden später als Doper überführt. Deshalb verwundert eine Seligsprechung von Bolt doch schon.

Professor Arne Ljungquist, Chefmediziner des Internationalen Olympischen Komitees, verkündete die erstaunliche These: „Bolt ist absolut sauber. Wir haben so viele Daten von ihm erfasst, die können nicht irren.“ Von US-Sprintstar Marion Jones wurden allerdings auch die Ergebnisse von 163 Dopingtests erfasst, alle negativ. Später gestand sie unter Tränen Doping.

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