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Sport: Laute Töne, leise Hoffnung

Deutschlands Handballer zeigen bei der EM viele Schwächen, glauben aber an eine Steigerung

Es war zu Szenen gekommen, die man so lange nicht mehr bei den deutschen Handballern gesehen hatte. Als sich die Niederlage in der letzten EM-Vorrundenpartie gegen Spanien abzeichnete, fielen untereinander einige harte Worte. Das war untypisch für das Team von Bundestrainer Heiner Brand, das bislang Werte wie Mannschaftsgeist geradezu ideal verkörperte. Diese Szenen aber waren der Beweis dafür, dass der Leistungseinbruch für die Weltmeister gegen die Spanier ziemlich jäh und unvermutet gekommen war. 22:30 – die zweithöchste Niederlage in der EM-Geschichte (nur gegen Russland 1994 verlor Deutschland mit 16:25 höher) schockte die Mannschaft. Welche Spuren wird dieser Tiefschlag hinterlassen?

In der heute in Trondheim beginnenden Hauptrunde ist Island (16.20 Uhr, live im ZDF) der erste Gegner, gegen den es eine Antwort darauf geben wird. Die Deutschen verbreiteten schon nach dem Schlusspfiff am Sonntag wieder Zuversicht. „Wenn alles normal läuft, gewinnen wir alle drei Spiele und sind trotzdem im Halbfinale.“ Diese Zuversicht speist sich aus den Erfolgen in der jüngeren Vergangenheit. „Noch ist nichts passiert“, sagt daher Heiner Brand, „an unserer Ausgangsposition hat sich nichts verändert.“ Rechtsaußen Florian Kehrmann glaubt ebenfalls an die Wende zum rechten Zeitpunkt: „Wir gewinnen jetzt die drei Hauptrundenspiele und stehen dann im Halbfinale.“ Der Lemgoer erinnerte an die EM 2004, als man mit 1:3 Punkten in die Hauptrunde gestartet war. „Und am Ende waren wir Europameister.“

Freilich offenbart das deutsche Spiel viele Schwachpunkte. Die 6:0-Deckungsformation um Abwehrorganisator Oliver Roggisch erreichte bislang noch nicht die Aggressivität aus dem Vorjahr; so kam das Team in der Vorrunde nur zu wenig Tempogegenstößen und leichten Toren. Größere Probleme bereitet die manchmal ratlos wirkende Offensive, die mehr unter dem Ausfall Oleg Velykys (Verdacht auf Kreuzbandriss) leidet als angenommen. Für gewöhnlich agiert der deutsche Angriff sehr variabel. Als Deutschland Weltmeister wurde, lag das auch an der taktischen Überlegenheit der Angriffskonzepte gegen physisch überlegene Gegner. Gegen Spanien verfiel das deutsche Team jetzt weitgehend in Standhandball, der leicht auszurechnen war. „Jeder hat den Ball im Stand angenommen und dann einfach aufs Tor geballert“, bilanzierte der Kieler Christian Zeitz selbstkritisch. Die Nachnominierung des Lemgoers Rolf Hermann für die Hauptrunde kann als Versuch gewertet werden, die Variabilität im deutschen Spiel zu erhöhen. Nur: Hermann plagt derzeit eine Grippe, sein Einsatz ist deshalb fraglich.

Zu Brands Leidwesen spielt auch Pascal Hens bisher eine schwache EM. Dabei ist der 2,03 Meter große Hamburger normalerweise eine Schlüsselfigur der deutschen Offensive. Der Halblinke spielte in der Hinrunde der Bundesliga auf allerhöchstem Niveau, entwickelte sich zu einer echten Führungsfigur und entschied eine Reihe von Spielen fast alleine. Warum Hens in Norwegen bisher blass blieb, ist auch für Brand nicht erklärbar. „Es fehlt ihm die Dynamik. Warum, weiß ich auch nicht“, sagt der 55-jährige Bundestrainer. Natürlich ist die Unsicherheit auch bei Brand groß: „Der Rückraum bestimmt das Spiel, deshalb muss man sich Sorgen machen.“ Zumal ihm angesichts von drei Spielen in drei Tagen – am Mittwoch wartet Titelverteidiger Frankreich, am Donnerstag Schweden – keine Trainingseinheiten mehr möglich sind.

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