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Nur am Anfang gleichauf. Im sechsten Rennen schlug das Team Neuseeland (hinten) die Luna Rossa um knapp zwei Minuten – im Match Race eine kleine Ewigkeit. Foto: Reuters

© REUTERS

Sport: Legionäre der Neuzeit

Im High-Tech-Segelduell der America’s-Cup-Herausforderer ist die Vorentscheidung schon gefallen.

Jetzt können sie es also. Beherrschen die futuristischen Dinger. Gerade noch rechtzeitig. Beinahe wäre das Hightech-Spektakel des 34. Ame-

rica's Cup zur Farce geworden.

Aber nach mehreren hundert Trainingsstunden auf dem Wasser und etwa einem halben Dutzend echter Rennen in der San Francisco Bay haben die beiden verbliebenen Herausforderer, Team New Zealand und Luna Rossa, ihre Riesenkatamarane unter Kontrolle bekommen. Die Neuseeländer um Skipper Dean Barker beeindrucken schon länger durch die Geschmeidigkeit, mit der sie auf Spitzengeschwindigkeiten von annähernd 45 Knoten kommen, was 81 Stundenkilometern entspricht, aber auf dem Wasser ungleich mehr bedeutet. Und sie haben das so genannte Foiling raus. Dabei hebt sich das sechs Tonnen schwere und 22 Meter lange Boot aus dem Wasser und rast wie auf Stelzen dahin, emporgehoben von einer angewinkelten Tragfläche, die so groß wie ein Surfbrett ist.

In der stechenden Gischt, dem Pfeiffen des Fahrtwindes, sehen die Segler mit ihren Helmen und Schutzmonturen wie Krieger aus, die bei Manövern zwischen den Kufen wie zwischen Schützengräben hin und her flitzen. Wobei findige Designer den Neuseeländern ein technoides Roboterskelett auf die Kleidung gedruckt haben, und die vom Modehaus Prada finanzierten Italiener als neuzeitliche Legionäre daherkommen in ihren aufgepolsterten Silberrüstungen.

Miteinander reden können die Segler an Bord nur über Sprechfunk. Dabei kommt alles auf die Manöver und die Koordination an, wenn das Gewicht der Boote in voller Fahrt von einer Seite auf die andere verlagert wird. Eine schlechte Halse unterscheidet sich von einer gelungenen durch einen Verlust von hundert Metern. Dafür braucht es bei diesem High-Speed-Wettkampf nur Sekunden.

Das schwedische Team Artemis konnte an diesen Punkt nicht mehr gelangen. Es schied im Halbfinale der Herausforderer-Serie des Louis-Vuitton-Cups aus. Nach dem katastrophalen Unfall Mitte Mai hatte es gerade genug Zeit gehabt, über den Tod des Teamkollegen Andrew Simpson hinwegzukommen und ein neues Boot zu bauen. Im Duell mit Luna Rossa waren die Schweden chancenlos. Nun kämpfen die beiden Traditionsteams aus Italien und Neuseeland um das Privileg, im September gegen den amerikanischen Titelverteidiger Oracle um den America’s Cup kämpfen zu dürfen. Wer von ihnen als erster sieben Siege verbuchen kann, hat sich durchgesetzt.

Aber kaum, dass die Segler es können, zeigen die Boote plötzlich Schwächen. Die ersten drei Rennen des Louis-Vuitton-Finales wurden durch technische Probleme entschieden. Zunächst traten sie bei Luna Rossa auf, als eines der geschwungenen Gleitschwerter sich nicht mehr bewegen ließ. Dean Barker und seine Crew mussten die Fahrt nur noch sicher beenden. Da erwischte die Neuseeländer in einer Halse eine tückische Bö. Das Boot beschleunigte und bohrte sich dann ins Meer wie ein abstürzender Düsenjet. Der Wasserschwall spülte zwei Grinder von Bord, jene Muskelprotze, die ständig an Apparaten kurbeln, um den Katamaran in der Balance zu halten. Sie wurden sogleich von Begleitfahrzeugen aus der Bucht von San Francisco gefischt.

Dann ereilte Barker das Unheil technischen Versagens. Chris Draper, der von Luna Rossa angeheuerte Steuermann, glich das Resultat im zweiten Aufeinandertreffen aus. Ein symbolischer Punktgewinn. Denn es war das erste Mal seit der Gründung des Teams im Jahr 2000 durch Prada-Chef Patrizio Bertelli, dass Neuseeland geschlagen werden konnte. Doch die Freude bei Luna Rossa währte nur kurz, im dritten Aufeinandertreffen brach ein Teil von dessen Flügelsegel.

Spannender machten die Defekte das Ganze nicht. Wann würde es ein Match Race auf Augenhöhe geben?

Als am Mittwoch die Kontrahenten für zwei weitere Wettfahrten aufeinander trafen, ging Draper aggressiv an den Start, um Barker zu Fehlern zu zwingen. Doch der Match-Race-Routinier, der vor 13 Jahren sein erstes America’s-Cup-Rennen gewann, gegen Luna Rossa übrigens, hatte immer genug Raum, um sich der Angriffe zu erwehren. Stets war Barker rechtzeitig an der Startlinie, und sein Boot danach jedes mal im Durchschnitt einen Knoten schneller. Am Ende sprang ein Vorsprung von 90 Sekunden heraus. Am Freitag, beim sechsten Rennen, waren es sogar knapp zwei Minuten.

Mit einem 1:5-Rückstand auf Team New Zealand muss Luna Rossa bei den Rennen am Samstag (nach Redaktionsschluss beendet) schon auf einen Fehler der Konkurrenz hoffen. Ob die Italiener Trost finden in dem, was Luna Rossas Skipper Max Serena fasziniert? Es sei „wirklich aufregend, auf diesen Booten unterwegs zu sein“, schwärmte er, „schnell zu sein“. Es ist vor allem schnell wieder vorbei.

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