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Christina Obergföll, 31, hat in in ihrer Karriere als Speerwerferin schon viel gewonnen – nur ein Titel bei einer großen Meisterschaft fehlt der Offenburgerin noch. Die Silbermedaillengewinnerin von London überstand die Qualifikation am Freitag problemlos.

© AFP

Leichtathletik-WM: Speerwerferin Christina Obergföll: "Ich bin eine Rampensau"

Christina Obergföll spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über ihre Chancen auf den Sieg bei der WM in Moskau und warum sie die große Bühne liebt.

Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner hat Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki als Rampensau bezeichnet, weil sie die große Bühne liebt. Auch Sie sind eine Sportlerin, die große Auftritte mag, oder?

Stimmt. Rampensau könnte man bei mir auch sagen. Ich muss nur aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr hochpushe und die Stimmung nicht ins Negative umschlägt. Man muss sich wieder fangen und konzentriert bleiben, weil gewisse Dinge kontrolliert ablaufen müssen.

Sie hatten in Ihrer Karriere nicht immer alles unter Kontrolle. Vor zwei Jahren sind Sie als Favoritin zur WM nach Daegu gereist und waren dann nach Ihrem vierten Platz sehr enttäuscht. Warum wird sich Daegu in Moskau nicht wiederholen?

Ich glaube, dass ich gut vorbereitet bin, auch, weil ich im mentalen Bereich viel mit dem Sportpsychologen Hans Eberspächer zusammenarbeite. Ich bin lockerer und entspannter, nehme die Dinge nicht mehr ganz so ernst, denn ich weiß, dass es auch ein Leben neben dem Sport gibt. Da hat mir Daegu die Augen geöffnet und daraus habe ich meine Lehren gezogen. Das war vielleicht auch der Grund, warum es im letzten Jahr mit Silber bei Olympia geklappt hat.

Aber eine Goldmedaille fehlt Ihnen immer noch ...

London war für mich Gold wert. Ich bin zwar für viele die unvollendete Zweite, davon lasse ich mich aber nicht mehr beeindrucken. Ich sage mir: Leute, macht’s doch erst mal selber. Ich mach einfach mein Ding und dann werde ich schon sehen, was dabei herumkommt. Alles, was jetzt noch kommt, darf, muss aber nicht.

Mit welchem Ziel sind Sie denn nach Moskau gereist?

An meine Saisonbestleistung von 67,70 Meter anzuknüpfen, das Niveau habe ich. Vielleicht ist auch ein Meter mehr möglich. Wenn es mit dem Sieg klappen würde, wäre das genial und ein absoluter Traum würde wahr. Aber ich sehe mich nicht als Favoritin. Schließlich hat Maria Abakumowa ein Heimspiel.

Gegen die Titelverteidigerin haben Sie eine Bilanz von 23:12, zuletzt haben Sie die Russin in London geschlagen und bereits den Gesamtsieg in der Diamond League perfekt gemacht. Was bedeutet Ihnen das?

Das ist der Titel für die konstanteste Werferin der Saison, es ist eine kleine Goldmedaille. Trotzdem zählt der Jahreshöhepunkt, diese WM, mehr, ganz klar.

Weltmeisterin Abakumowa führt mit 69,34 Metern die Jahresweltbestenliste an. Was erwarten Sie von ihr?

Sie ist eine Werferin, die entweder 70 Meter wirft oder 62, entweder schlecht oder richtig, richtig gut. Sie neigt dazu, mit aller Gewalt zu werfen, die sie hat, das wird ihr manchmal ein bisschen zum Verhängnis. Die Frage wird sein, ob sie der Druck, im eigenen Stadion zu werfen, nicht erschlägt.

Bislang war das Stadion in Moskau ja eher mäßig gefüllt.

Ich denke, dass beim Finale am Sonntag schon ein bisschen was los sein wird. Wenn nicht, wäre es für mich auch nicht schlimm, denn die Zuschauer klatschen ja eh nur für meine Konkurrentin.

Sie haben beim Europacup 2007 im Münchener Olympiastadion den damals gültigen Europarekord von 70,20 Metern geworfen. Wie hilfreich ist die Zuschauerunterstützung?

Ich brauche das Publikum, damit ich mich mental hochfahren, heiß machen und pushen kann. Vor 100 Leuten im Nirgendwo könnte ich keine ganz großen Weiten werfen. Der Nachteil eines Stadions ist, dass es geschlossen ist und daher die Windbedingungen etwas schlechter sind.

Sie haben bei diversen Miss-Wahlen in der Jury gesessen. Was hat das mit Ihrem Sport zu tun?

Die Frau steht im Mittelpunkt: Das Model auf dem Laufsteg, ich beim Anlauf. Und beide müssen, naja, gut aussehen, jede auf ihre Art. Na gut, ich möchte nicht bei jedem Termin aufgetakelt und geschminkt erscheinen müssen. Da gehe ich lieber im Trikot und in Turnschuhen auf den Sportplatz und bringe sportliche Höchstleistung. Aber ich lege schon Wert auf ein frauliches Aussehen, auch kleidungstechnisch. Und die Körperproportionen sollten auch stimmen. Mir ist wichtig, gut auszusehen und eine athletische Figur zu haben, gerade weil ich eine Sportart betreibe, die in den Augen der Öffentlichkeit vielleicht als männlich eingestuft wird.

Kugelstoßen wäre also eher nichts für Sie?

Sagen wir mal so: Ich bin froh, dass ich Speerwerferin bin. Das ist ja der Sprint unter den Wurfdisziplinen. Das kommt mir schon entgegen.

Das Gespräch führte Reinhard Sogl.

Reinhard Sogl

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