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Aus dem Schatten. Leopold König (blaues Trikot) folgt Spitzenreiter Vincenzo Nibali. Foto: dpa

© AFP

Tour de France: Leopold König und der Angriff im Hochgebirge

Das deutsche Team NetApp um Leopold König überzeugt bei der Tour de France - obwohl es die Leistungsfähigkeit ihres Spitzenfahrers bisweilen überschätzt.

Arbeitsplatzsicherheit legt neue Kräfte frei. Nur wenige Tage nachdem Rennstallchef Ralph Denk einen neuen Namenssponsor für die kommenden fünf Jahre vorgestellt hat, macht sein Spitzenfahrer Leopold König bei der Tour de France auf sich aufmerksam. Bei der Etappe nach Chamrousse am Freitag attackierte der Tscheche aus der Favoritengruppe heraus. Nicht einmal Vincenzo Nibali, der überlegene Gesamtführende, vermochte König zu folgen. Nur der Pole Rafal Majka aus dem Tinkoff-Team stieg wenig später dem Profi aus dem deutschen NetApp-Team hinterher. Er hielt sich aber weitgehend am Hinterrad des Tschechen auf. Auch Nibali, der sich ein paar Kilometer später aus der großen Gruppe löste, bevorzugte für einige Zeit die Windschattenposition.

„Er war hier am Limit und wollte nichts riskieren“, sagte Enrico Poitschke, sportlicher Leiter von Team NetApp, angesichts der Fahrweise von Nibali. Sie brachte dem Italiener nach Berechnungen seines persönlichen Trainer Paolo Slongo etwa 20 Watt Kraftersparnis. König wiederum bezahlte die Führungsarbeit über die harten letzten zehn Kilometer damit, dass sich der wieder erholte Nibali dann doch noch absetzen konnte und er selbst schließlich von Majka im Spurt distanziert wurde. Dennoch lieferte er eine „Weltklasseleistung“ ab, wie Denk befriedigt konstatierte.

Ein Vergleich mit den Zeiten aus der Hoch-Doping-Ära ergab, dass die Leistungsdaten des Trios Nibali, Majka und König trotz seiner Überlegenheit gegenüber dem Rest des Feldes weit hinter denen aus dem Jahr 2001 lagen. Lance Armstrong brauchte seinerzeit im Bergzeitfahren 2:17 Minuten weniger als Nibali und 2:28 Minuten weniger als König. Jan Ullrich, 2001 Etappendritter, war bei einer Fahrzeit von etwa einer halben Stunde immerhin noch knapp eineinhalb Minuten schneller als Nibali. Die von dem Leistungsdiagnostiker Antoine Vayer errechneten Kraftwerte lagen für Armstrong bei gewaltigen 439 Watt, während Nibali 405 Watt aufbrachte und König 403 Watt. Das liegt auch für Vayer, einen ehemaligen Mitarbeiter des für Dopingpraktiken ganz besonders berüchtigten Rennstalls Festina, im Bereich des ohne Doping physiologisch Möglichen.

Tags darauf überschätzte das NetAppTeam allerdings die Kapazitäten seines Spitzenfahrers. Bereits auf der Anfahrt zum vorletzten Gipfel des Tages machten die Männer in den blauen Trikots Dampf. Sie ließen das Hauptfeld schrumpfen und verkürzten die Distanz zur Ausreißergruppe des Tages. Pech nur, dass ausgerechnet Spitzenfahrer König Probleme bekam. „Am Izoard habe ich mich sehr schlecht gefühlt und bin von da an im Überlebensmodus gefahren“, meinte der Tscheche später. Er biss sich im finalen Anstieg immerhin wieder an die Besten heran und konnte für sich verbuchen, auch den Gesamtzweiten Alejandro Valverde niedergekämpft zu haben.

NetApp zahlte mit der Beschleunigung am vorletzten Berg dennoch Lehrgeld. Viel Kraft war umsonst investiert worden und König wirkte angeschlagen. Das Team erwarb sich zudem den Ruf, williger Koalitionspartner von Nibali zu sein. Schließlich befreite es Astana von der Aufgabe des Tempomachens. Immerhin belebt die Truppe das Geschehen. Und Leopold König ist einer der Männer, die Denk auch im kommenden Jahr, wenn der Rennstall unter dem Namen Bora ins Rennen geht, zu den Seinen zählen will. Denn der 26-Jährige aus Moravska Trebova ist der Garant für kommende Einladungen bei großen Rundfahrten. Tom Mustroph

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