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Sport: Lob der Zerstörung

Bei der Basketball-Europameisterschaft dominieren bisher die Teams, die am besten verteidigen

Mikael Pietrus beging nur einen einzigen Fehler. Bei der Pressekonferenz nach dem überraschenden Erfolg über Litauen (63:47) schloss der französische Basketball-Nationalspieler sein Statement mit den Worten ab: „Wir müssen das im Halbfinale am Freitag wiederholen.“ Während der litauische Trainer Antanas Sireika mit tiefer Stimme begann, seine Analyse des Spiels ins Mikrophon zu brummeln, flüsterte der französische Trainer seinem Spieler zu: „Am Samstag.“ Doch Pietrus verstand ihn nicht. „Wir spielen nicht am Freitag, sondern am Samstag“, wiederholte Claude Bergeaud leise. Da beugte sich Pietrus vor und sagte unvermittelt ins Mikrofon: „Am Samstag.“

Auf dem Spielfeld hat das Timing bei Mikael Pietrus besser gestimmt. Das war auch der Grund, warum ihn der französische Nationaltrainer bei der Basketball- Europameisterschaft in Serbien-Montenegro nach dem Sieg über den Titelverteidiger in die Pressekonferenz mitgebracht hatte. Dort dürfen sonst nur Spieler erscheinen, die viele Punkte erzielt oder viele Rebounds gefangen haben, doch gerade das hatte der Spieler vom NBA-Klub Golden State Warriors (fünf Punkte, fünf Rebounds) nicht getan – trotzdem war er Bergeauds wichtigster Spieler. „Er hat Ramunas Siskauskas gestoppt“, sagte der französische Coach. Bis zum Viertelfinale hatte der litauische Spieler durchschnittlich 16,7 Punkte erzielt – gegen Pietrus kam der Distanzwerfer nur noch auf zwei einsame Punkte.

Das Viertelfinale zwischen Litauen und Frankreich war bezeichnend für die intensive Verteidigung und die schwache Offensive bei dieser EM. In der ersten Hälfte hatten die sonst so treffsicheren Litauer ganze 16 Punkte erzielt. „Wir haben noch nie so ein schlechtes Spiel gemacht“, sagte Aufbauspieler Vidas Ginevicius. Auch im zweiten Viertelfinale dominierte die Defensive. Nach dem 66:61 über Russland sagte Griechenlands Flügelspieler Nikos Chatzivrettas: „Man muss schon ein großes Herz haben, um so eine Verteidigung zu lieben.“ Die Griechen hatten es.

Für die neutralen Zuschauer sind die Kämpfe um den Ball unansehnlich, viele Fehlwürfe und Ballverluste prägen die Spiele. Die hässliche Taktik verspricht jedoch Erfolg. Auch das deutsche Team hat sich mit einer starken Defensive ins Viertelfinale gegen Slowenien gekämpft (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet). Der Bundestrainer erklärt den Trend zum Zerstören des gegnerischen Spiels mit der Ausgeglichenheit der Teams. „Wenn man beim Talent auf Augenhöhe ist, entscheidet immer die beste Verteidigung.“

Es gibt weitere Gründe für die niedrigen Ergebnisse bei dieser EM. Zum Beispiel die große Bedeutung der Spiele. „Wenn man in einem Spiel alles auf einen Punkt bringen muss, macht das den Wurf nicht lockerer“, sagt Bauermann. Auch hatten die 22 NBA-Spieler Schwierigkeiten, sich wieder an europäische Regeln und Spielfeldmaße zu gewöhnen. „Europäischer Basketball und NBA sind zwei unterschiedliche Sportarten“, sagt Holger Geschwindner, der Mentor Dirk Nowitzkis. Halbfinalist Griechenland hat keinen einzigen NBA-Spieler in seinen Reihen.

Und noch eine ungewöhnliche Schwierigkeit entdeckte Bauermann, als er sich das erste Viertelfinale anschaute: die Lichtverhältnisse in der riesigen Belgrad Arena, die für 22 000 Zuschauer Platz bietet. Das macht allerdings für das Finale am Sonntag etwas Hoffnung auf mehr Punkte. Bis dahin dürften sich die Dreipunktewerfer an das gleißende Licht an der Hallendecke gewöhnt haben.

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