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Locker am Handgelenk. Manuel Neuer steht die Kapitänsbinde gut.

© dpa

Manuel Neuer und die Nationalmannschaft: Erster Kapitän unter vielen

Manuel Neuer wird Spielführer der Fußball-Nationalelf – an der flachen Hierarchie in der Mannschaft soll sich aber nichts ändern.

Am Mittwochabend, zwischen 22.15 Uhr und 22.30 Uhr, befand sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft plötzlich in einem Zustand, der dem Ideal des Bundestrainers vermutlich ziemlich nahe gekommen sein dürfte. Es waren die Minuten nach der Auswechslung von Bastian Schweinsteiger. Als der Kapitän vom Feld ging, tat er kurz so, als wollte er sich die Binde vom Arm nehmen, aber dann ging er weiter, herzte alle Kollegen und setzte sich schließlich einfach mit Binde auf die Ersatzbank. Zehn Minuten spielten die Deutschen beim 2:0-Sieg gegen Finnland ohne Kapitän, ehe Schweinsteigers Binde bei der Einwechslung von Thomas Müller an dessen Arm doch noch zurück auf das Feld kam. Joachim Löw müsste das gefallen haben: Wenn keiner Kapitän ist, sind es automatisch alle.

Löw schien es Spaß zu machen, die Öffentlichkeit hinzuhalten

Das Gewese um die Binde ist dem Bundestrainer in den vergangenen Tagen gehörig gegen den Strich gegangen. Wer wird denn nun Nachfolger von Bastian Schweinsteiger?, ist Löw bei jeder Gelegenheit gefragt worden. Und es schien fast, als machte er sich einen Spaß daraus, die Öffentlichkeit extra lang hinzuhalten. Schon am Montag, als sich die Nationalspieler in Düsseldorf für die Länderspiele gegen Finnland und in Norwegen (Sonntag) versammelt hatten, war von Löw eine Entscheidung erwartet worden – vergebens. Aber spätestens am Mittwoch, wenn Schweinsteiger bei seinem Abschiedsspiel ausgewechselt werden würde, würde man ja sehen, wer die Binde bekommt. Denkste. Erst am Tag nach dem Spiel verkündete Löw seine Entscheidung – per Pressemitteilung. Nicht ganz unerwartet hat er Torhüter Manuel Neuer zu Schweinsteigers Nachfolger ernannt.

Löws Entscheidung stand bereits länger fest, doch beim Spiel gegen die Finnen sollte die Aufmerksamkeit allein Bastian Schweinsteiger gelten, der am Mittwoch nach zwölf Jahren seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet hat. Deshalb hielt Löw den Namen des Nachfolgers noch geheim. „Aus Respekt für den Basti wollte ich an diesem Tag nicht über einen anderen Kapitän mit der Mannschaft reden“, sagte er. Erst am Donnerstag nach dem Mittagessen wurden die Spieler von Löw informiert.

Der Kapitän der Nationalelf ist eine fast schon mythische Figur

Mit der Bekanntgabe per Pressemitteilung unterstrich der Bundestrainer noch einmal, was er am Abend zuvor gesagt hatte: Die Kapitänsfrage sei „nicht das Allerwichtigste in dieser Woche“. Das Publikum sieht das traditionell etwas anders. Der Kapitän der Nationalmannschaft, der Nachfolger von Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus, ist eine fast schon mythische Figur. Aber man kann eben nicht, wie Löw, bei jeder Gelegenheit die Segnungen einer flachen Hierarchie preisen und dann aus der Ernennung des Kapitäns einen Staatsakt machen. „Wir haben mittlerweile mehrere Kapitäne in unserer Mannschaft“, sagte der Bundestrainer, der zuversichtlich ist, dass die Verantwortung weiterhin auf viele Schultern verteilt wird und sich auch die anderen Führungsspieler einbringen, auf und neben dem Platz.

Löws Kader verfügt über eine ganze Reihe von Führungspersönlichkeiten, die für das Kapitänsamt in Frage gekommen wären. Außer Neuer waren in den vergangenen Wochen auch Jerome Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira und Thomas Müller immer wieder genannt worden. Trotzdem bezeichnete der Bundestrainer den 30 Jahre alten Neuer als logischen Nachfolger von Bastian Schweinsteiger. „Er bringt alles mit, was ich mir von einem Kapitän wünsche“, sagte Löw. Neuer gilt in Deutschland als bester Torhüter der Welt, doch neben den sportlichen Fähigkeiten nannte der Bundestrainer auch noch seine großen menschlichen Qualitäten: „Er übernimmt Verantwortung, er geht voran, dabei ist er ruhig und besonnen. Manuel wirkt nach innen und nach außen. Im Kreis des Teams ist er hoch angesehen, sein Wort hat Gewicht.“

Die Beförderung kam nicht überraschend

Schon bei der Europameisterschaft in Frankreich, als Schweinsteiger nur Ergänzungsspieler war, hat der Torhüter des FC Bayern München die deutsche Mannschaft in fünf der sechs Spiele auf das Feld geführt – insofern kam seine Beförderung nicht überraschend. Nach Sepp Maier und Oliver Kahn ist Neuer der dritte Torhüter in der Geschichte des DFB, der fester Kapitän der Nationalmannschaft ist. Natürlich hat ihn die Ernennung stolz gemacht, empfindet er das Amt als große Ehre, ließ er sich in der Pressemitteilung zitieren. Aber als Einzelkämpfer sieht sich Neuer auch künftig nicht. „Ich weiß, dass das Kapitänsamt große symbolische Bedeutung hat“, sagt er. „Aber die entscheidenden Dinge werden weiterhin im Mannschaftsrat besprochen und gemeinsam beschlossen.“

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