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Mehr Krampf als alles andere. HSV gegen Werder Bremen.

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Marcel Reifs Kolumne: Wiedersehen in Liga zwei?

Unser Kolumnist Marcel Reif ist skeptisch, ob der SV Werder Bremen nach dem Sieg im Nordderby die Wende zum Guten geschafft hat. Und mit dem HSV möchte er sich eigentlich gar nicht mehr beschäftigen. Es ist einfach zu traurig.

Ob da jetzt jemand die Wende zum Guten, zum Besseren geschafft hat? Man muss wohl mal wieder zurück blicken, um beurteilen zu können, wo der Hamburger SV und Werder Bremen stehen müssten. Da, wo Bayern München steht oder Borussia Dortmund. Der HSV, der kommt von Uwe Seeler, von Felix Magath, Ernst Happel und Günter Netzer. Werder Bremen kommt aus der Champions League, von Otto Rehhagel, Willi Lemke, Thomas Schaaf und Klaus Allofs. Kommt aus der Ruhe, in der die Kraft liegt, kommt manchmal aus dem glücklichen Händchen, aus einem Händchen, das gerichtet hat, was zu richten war.

Doch irgendwann haben beide die Abzweigung verpasst, die zu den Fleischtöpfen führt, und haben stattdessen die Abfahrt getroffen, die mindestens ins Mittelmaß führt, von wo aus es auch ins Chaos geht und sogar in den Abgrund. Noch bewahren sie in Bremen Ruhe, noch jubeln die Fans, auch wenn ihre Mannschaft mal verliert. Noch sind sie fröhlich, feiern immer noch Thomas Schaaf, fast schon wie posthum, aber Ruhe herrscht auch unter Mehltau.

Und der HSV? Hat man überhaupt noch Lust, sich mit dem zu beschäftigen? Man liest von einem Mäzen, einem Milliardär, der sich einmischt, liest von Magath, der den Klub leiten soll, von den van der Vaarts, liest von Lothar Matthäus, den der Sportdirektor als Trainer haben will und der Mäzen partout nicht. Ach, bestenfalls langweilt der HSV nur noch. Aber eigentlich nervt er. Es ist nahezu frivol, stark morbid, sich den HSV dieser Tage anzuschauen. Sie haben dort alle Möglichkeiten, haben begeisterungsfähige Fans, haben ein tolles Stadion, haben zwar ein unruhiges Umfeld, aber repräsentieren eine reiche Stadt. Und was machen sie aus diesem Standortvorteil?

Marcel Reif
Marcel Reif. TV-Reporter und Tagesspiegel-Kolumnist.

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Und was machen die Bremer aus ihrem Standortvorteil der Ruhe? Beide machen nichts. Der HSV wirkt inzwischen, als habe er sich abgekoppelt von dieser Welt, aus allem, was Vernunft gebietet. Irgendwie cruisen sie durch ein anderes Sonnensystem, und das nicht nur in der Führung, sondern inzwischen auch auf dem Platz.

Ist das schade? Nein, es ist traurig. Weil die Liga solche Klubs braucht, Klubs, die Tradition verkörpern, die etwas zu erzählen haben. Mein Optimismus, dass die beiden im Norden sich noch berappeln, hält sich arg in Grenzen. Und wenn es wirklich in den Abgrund geht? Gibt es dann noch eine Rückkehr? Schwerlich. Die beiden haben gestern ihr 99. Derby gespielt, sie beharken sich weiter, wer nun die schönere Raute auf dem Trikot spazieren führt. Aber das ist Folklore. Realistischer ist es, dass das 101. Derby in der Zweiten Liga stattfindet. Traurig. Traurig.

Der Autor ist Sky-Chefkommentator.

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