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Bislang wenig Spaß am Rücktritt vom Rücktritt. Martina Hingis beim Training in New York, wo sie mit Doppelpartnerin Daniela Hantuchova an den US Open teilnimmt.

© AFP

Comeback im Doppel: Martina Hingis kennt nur Tennis

Die frühere Weltranglistenerste Martina Hingis versucht sich weiter im Doppel an ihrem Comeback – mit bisher eher bescheidenem Erfolg. Doch die Schweizerin will bei den US Open nicht nur einfach mitspielen.

Vor sechs Wochen gab es für Martina Hingis einen Moment für die Ewigkeit. Da wurde die 32 Jahre alte Schweizerin im nordamerikanischen Newport in die „Tennis Hall of Fame“ aufgenommen, als viertjüngste Spielerin der Geschichte. Sie war in ihrer Karriere oft die Jüngste, schon als Teenager wurde sie die Nummer eins der Welt und gewann Grand Slams. Das einstige Wunderkind fühlte sich geehrt, sich in der Ruhmeshalle einreihen zu dürfen, und Hingis’ Stimme zitterte bei ihrer Rede: „Danke, Tennis. Du legtest mir die Welt zu Füßen und hast mich für diesen Platz in der Ewigkeit ausgewählt.“ Aber als Hingis diese feierlichen Worte sprach, da wusste sie schon, dass sie eben doch kein Fall fürs Museum sein wollte – es drängte sie zurück ins Profileben auf die WTA-Tour.

„Manchmal vermisse ich den Wettkampf sehr“, sagte Hingis, „aber es kommt auf die richtige Dosierung an.“ So tritt sie nur im Doppel an und spielte in diesem Sommer bereits vier Turniere an der Seite ihrer ehemals angestammten Partnerin Daniela Hantuchova auf den nordamerikanischen Hartplätzen. Doch das Comeback läuft mäßig, mehr als drei Siege schafften sie bisher nicht. Und dass es in dieser Woche bei den US Open besser laufen wird, steht zu bezweifeln: Zum Auftakt wartet mit Roberta Vinci und Sara Errani das topgesetzte Duo. Die ehrgeizige Hingis macht gute Miene zum bösen Spiel, weiß sie doch, dass sie ohne Hantuchova wohl besser dran wäre. Denn die Slowakin ist schon froh, überhaupt wieder einmal sportliche Schlagzeilen zu machen, im Einzel ist sie schon seit längerem nicht mehr konkurrenzfähig.

Dennoch bleibt die Frage, was Hingis zu ihrer Rückkehr bewogen hat. 43 Titel im Einzel, davon fünf Grand-Slam-Trophäen, und 37 Titel im Doppel inklusive neun Grand Slams, hat sie in ihrer Karriere gewonnen und war 209 Wochen lang die Nummer eins. Aber einen echten Schlussstrich unter diesen Teil ihres Lebens konnte Hingis wohl nie ziehen. Vor zehn Jahren beendete sie zum ersten Mal ihr Profidasein, da war sie gerade mal 22 Jahre alt. Ihre strenge Mutter Melanie Molitor hatte sie von klein auf zum Champion gedrillt, mit Erfolg, aber wohl auch zu einem hohen Preis. Nach drei Jahren Pause kehrte Hingis 2006 zurück auf die Tour, denn irgendwie hatte sie doch das Gefühl, ihre Mission nicht recht erfüllt zu haben.

Und wenn sie sich bei ihren Erbinnen so umschaute, zwischen all den gleichförmigen kräftigen Spielerinnen in der Weltelite, hatte es eben keine mehr wie sie gegeben. Keine, die Hingis mit ihrem Spielwitz, ihrer Spielintelligenz und ihrem Händchen das Wasser reichen konnte. Das muss sie geärgert und gleichermaßen angespornt haben. Im Eiltempo kehrte Hingis damals zurück in die Top Ten, doch sie war oft verletzt und dann kam Ende 2007 die leidige Kokain-Affäre hinzu, vor der sie sich lieber ins erneute Karriereende flüchtete, als sich sperren zu lassen. Nun ist es ihr zweites Comeback, und sie ist ja beileibe nicht die erste, die vom Profileben irgendwie nicht lassen konnte. Ob Björn Borg, Monica Seles, Jennifer Capriati, Martina Navratilova oder Lindsay Davenport und Kim Clijsters, die beide als Mütter zurückkehrten – sie alle spürten, dass da noch eine Rechnung offen war. Die Gründe sind vielschichtig, aber bei allen Rückkehrern spielte wohl auch die Gewissheit eine Rolle, dass sie nichts in ihrem Leben je so gut beherrschen würden, wie diese kleine, gelbe Filzkugel. Loszulassen fällt da schwer. „Es ist so schön, wenn man etwas so gut kann, und die Menschen Freude daran haben“, sagt Hingis.

Richtig weg aus dem Dunstkreis der Tour ist sie nie gewesen, und vielleicht erschwerte ihr gerade das den echten Neustart. Denn ihren Platz im Leben hat sie nie so recht gefunden, sie kannte ja nur Tennis. Sie probierte es mit Reitturnieren, doch die verliefen ähnlich glücklos wie ihre privaten Beziehungen. Ihre Ehe mit dem französischen Springreiter Thibault Hutin steht vor dem Aus. Und auch die Arbeit als Trainerin von Nachwuchsspielerinnen konnte ihr wohl nicht die gleiche Befriedigung geben, wie selbst auf dem Platz zu stehen.

Noch in Wimbledon gewann sie an der Seite von ihrer Freundin Lindsay Davenport das Einladungsturnier der Legenden, und im Kreis der Ehemaligen wirkt die fitte Schweizerin tatsächlich als sei sie noch eine Aktive. Nur ein Jahr älter als Serena Williams scheint vieles möglich. Doch Hingis weiß, dass das heutige Tennis von physischer Power lebt und sie da allein mit ihrem Köpfchen nicht mehr groß mitmischen kann. Tennis sei brutal geworden, sagt Hingis, eine komplett andere Welt. Dennoch möchte sie in diese Welt zurück, vielleicht sogar noch einmal im Einzel, auch wenn sie zuletzt vehement betonte: „Ich bin zu 200 Prozent sicher, dass das nicht passiert.“

Aber Martina Hingis wäre nicht die erste, die ihren Entschluss revidiert. Die jüngst zurückgetretene Wimbledonsiegerin Marion Bartoli ließ sich auch noch ein Hintertürchen offen.

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