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Sport: Mein Titel gehört mir

Justine Henin hat ihren Erfolg vom Vorjahr wiederholt: Im Finale bezwang sie ihre Landsfrau Kim Clijsters trotz eines Satzverlustes

Berlin. Als um kurz vor halb vier auf dem Center Court noch einmal die Linienrichter abgelöst wurden, sah es nicht so aus, als stehe der neuen Abordnung eine besonders lange Schicht bevor. Zwei Spiele fehlten Justine Henin-Hardenne zu diesem Zeitpunkt noch, um die German Open zu gewinnen. 4:1 führte die Belgierin im zweiten Satz gegen ihre Landsfrau Kim Clijsters, den ersten hatte sie 6:4 gewonnen. Eine Viertelstunde später stand es 1:1 nach Sätzen. Erst sah die 20 Jahre alte Henin wie die sichere Siegerin aus, dann wie die sichere Verliererin – und am Ende gewann sie doch noch. Nach zweieinviertel Stunden verwandelte sie ihren zweiten Matchball zum 6:4, 4:6, 7:5.

„Ich liebe es, in Berlin zu spielen“, sagte Henin nach dem neunten Turniersieg ihrer Karriere. Die German Open sind das einzige Turnier, das die Belgierin zweimal gewonnen hat, und Henin ist die erste Spielerin seit Steffi Graf vor neun Jahren, der es gelungen ist, den Titel in Berlin zu verteidigen.

Das Finale um die 96. Internationalen deutschen Tennis-Meisterschaften wird den 5500 Zuschauern auf der nicht ausverkauften Anlage vor allem wegen seines dramatischen Verlaufs in Erinnerung bleiben. „Das war eines der seltsamsten Matches, das ich je gespielt habe“, sagte Clijsters. 3:0 führte Henin im ersten Satz, danach verlor sie vier Spiele in Folge, bevor sie wieder vier Spiele hintereinander gewann, dadurch den ersten Satz für sich entschied und auch im zweiten Durchgang mit 1:0 und einem Break in Führung ging.

Zwischen den beiden Sätzen lag eine Verletzungspause, in der sich Kim Clijsters an ihrem linken Oberschenkel behandeln lassen musste. Die 19-Jährige verließ den Platz und kehrte nach sechs Minuten mit einem Verband auf den Court zurück. „Das war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich den Physiotherapeuten herbeirufen musste“, sagte Clijsters. Und anschließend schien es, als könne die Begegnung ein schnelles Ende finden. Henin zog auf 4:1 davon. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal zurückkommen konnte“, sagte Clijsters, die ab heute als Nummer zwei der Weltrangliste geführt wird. Doch plötzlich gelang Henin fast gar nichts mehr. Clijsters schaffte das Break zum 2:4 und gewann insgesamt 16 Punkte hintereinander. Als „sehr dramatisch“ empfand Henin diese Phase. Und selbst im nächsten Satz „habe ich immer noch darüber nachgedacht, was da eigentlich passiert ist“.

Dieser dritte Satz verlief im Vergleich zu den beiden vorangegangenen geradezu konventionell. Bis zum 5:4 brachten beide Spielerinnen ihre Aufschläge ohne größere Probleme durch. Dann musste Henin wieder zittern. Drei Matchbälle hatte Clijsters, dreimal gelang es ihr nicht, die Begegnung für sich zu entscheiden. Schon am Tag zuvor, im Halbfinale gegen Jennifer Capriati, hatte sie vier Matchbälle vergeben. Da aber hatte sie anschließend wenigstens gewonnen. Gegen Henin gelang ihr das nicht. „Sie ist sehr cool geblieben“, sagte Kim Clijsters über ihre Gegnerin.

Zum ersten Mal seit 1987 (Steffi Graf und Claudia Kohde-Kilsch) standen wieder zwei Spielerinnen aus demselben Land im Finale der German Open. Henin und Clijsters sind sogar miteinander befreundet, sie kennen sich seit Jahren. „Es sollte ein Match sein wie jedes andere“, sagte Clijsters. „Aber natürlich ist es etwas Besonderes.“ Und offensichtlich lassen sich Niederlagen gegen eine Freundin besser ertragen als andere Niederlagen. „Es war eine große Erfahrung für mich“, sagte Clijsters. „Obwohl ich das Finale verloren habe, habe ich es wirklich sehr genossen.“ Von einem solchen Spiel jedenfalls könne sie mehr profitieren als von einem glatten Sieg, zumal Clijsters Henin für die derzeit beste Sandplatzspielerin der Welt hält.

Henin ist von solchen Aussagen nicht unbedingt begeistert. Sie weiß, was es bedeutet, angeblich die beste Sandplatzspielerin der Welt zu sein. Sie gilt damit quasi auch automatisch als große Favoritin auf den Turniersieg bei den French Open in Paris, die in zwei Wochen beginnen. Vor einem Jahr, nach ihrem ersten Erfolg in Berlin, war das nicht anders. „Da hat auch jeder gesagt, dass ich Favoritin bin. Und dann habe ich dort in der ersten Runde verloren.“

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