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Sport: Meister mit Verspätung

BFC Viktoria holt sich endlich den Titel von 1894

Berlin – Guido Schmitz hatte das Tor des Verbandsligisten BFC Viktoria Berlin fast eine Halbzeit lang sauber gehalten. Kurz vor der Pause aber wurde der 39 Jahre alte Torwart ausgewechselt und von den rund 1000 Zuschauern mit Applaus in den Vereinsvorstand verabschiedet. Das Spiel gegen den 1. Hanauer FC 93 war das letzte seiner Karriere – und ein besonderes obendrein. Schmitz sagte: „Es ist der richtige Augenblick, um aufzuhören. Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Kurz vor dem Ruhestand hatte auch er zum Titelgewinn seiner Mannschaft beigetragen. Am Samstag gewannen die Berliner mit 113-jähriger Verspätung die Neuauflage des Endspiels um die deutsche Fußball-Meisterschaft. 1894 hatte Hanau das Finale aus finanziellen Gründen platzen lassen, nun ist es in zwei Spielen nachgeholt worden.

Zwar endete das Rückspiel im Tempelhofer Friedrich-Ebert-Stadion gegen den Bezirksligisten aus Hessen nur 1:1; den Grundstein jedoch hatte Viktoria vor einer Woche gelegt, als die Mannschaft von Trainer Manuel Hartmann 3:0 gewonnen hatte. „Beide Partien waren die beste Werbung für den Amateur-Fußball“, sagte Hartmann.

Und so war es auch egal, dass der etatmäßige Torwart schon in seiner ersten Aktion nach Schmitz’ Abschied, den Ball aus dem eigenen Netz holen musste. Die Führung der Hessen war das konsequente Ergebnis eines mutigen Sturmlaufs. Viktoria hingegen kam nur schwer ins Spiel und konnte dem Favoritenstatus in der ersten Halbzeit nicht gerecht werden. „Hätten wir in dieser Phase ein Tor mehr erzielt, dann wäre vielleicht mehr drin gewesen“, sagte Hanaus Trainer Uwe Neuendorf enttäuscht. In der 63. Minute fiel der Ausgleich – die Meisterschaftsträume der Hanauer zerstoben endgültig. Und plötzlich tönte es von den Rängen: „Deutscher Meister wird nur der BFC!“. Die Fans feierten sich selbst, ihre Mannschaft und hatten, während das Spiel keine weiteren Höhepunkte lieferte, sogar genug Zeit, um den großen Stadtrrivalen zu verspotten. Es werde wohl der letzte Berliner Meistertitel für die nächsten 100 Jahre sein, sagte ein Fan, „wir sind besser als Hertha!“ Anschließend feierten auch die zahlreich angereisten Gästefans mit, denen die eigenen Spieler attestierten: „Hanau hat die geilsten Fans der Welt“. Immerhin, am Ende waren sie alle Vize-Meister. Es werde eine sehr lange Nacht, versprachen die Hessen.

Das Abendprogramm begann jedoch mit einem Missgeschick. Der Pokal, der extra für diese nachgeholte Meisterschaft gestiftet wurde, zerbarst in mehrere Einzelteile. „Kein Problem, wir kleben den später wieder zusammen“, sagte Hartmann. Doch seine Spieler verzichteten zunächst auf Reparaturarbeiten und brachen mit den Pokal-Überresten zur Ehrenrunde auf. So kam es, dass mehrere Akteure die Trophäe gleichzeitig trugen. Im nächsten Jahr aber können sie mehr Sorgfalt beweisen. Falls Viktoria auch die Wiederholung des Meisterschaftsfinals aus dem Jahr 1908 gegen die Stuttgarter Kickers gewinnen sollte.

Paul Linke

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