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Sport: Millionen Türken feiern den Titel im Fußball - viele auch als Omen für die Aufnahme in die EU

Fatih Terim ist für den türkischen Fußballmeister Galatasaray Istanbul ein Glücksfall. Der Trainer führte die Mannschaft nicht nur zum Erfolg im UEFA-Cup, er brachte auch den zum Triumph passenden Vornamen mit: "Fatih", der "Eroberer", war der Ehrentitel jenes osmanischen Sultans, der im 15.

Fatih Terim ist für den türkischen Fußballmeister Galatasaray Istanbul ein Glücksfall. Der Trainer führte die Mannschaft nicht nur zum Erfolg im UEFA-Cup, er brachte auch den zum Triumph passenden Vornamen mit: "Fatih", der "Eroberer", war der Ehrentitel jenes osmanischen Sultans, der im 15. Jahrhundert Konstantinopel einnahm. Als "Eroberer Europas" wurde Terim deshalb am Donnerstag gefeiert. Der erste Sieg einer türkischen Mannschaft in einem europäischen Fußballwettbewerb hat das Land in einen Siegestaumel versetzt. Politiker und Medien sehen in dem Erfolg im Endspiel gegen Arsenal London in Kopenhagen zudem ein gutes Omen für die EU-Ambitionen des Landes. Zumindest Galatasaray habe die "Kopenhagener Kriterien" bereits erfüllt, freute sich Justizminister Hikmet Sami Türk.

Zum Endspiel versammelte sich die ganze Nation vor den Fernsehgeräten zu Hause und in den Kneipen oder vor Großleinwänden auf zentralen Plätzen der Großstädte. Allein auf dem Taksim-Platz in Istanbul strömten mehr als 20 000 Menschen zusammen, um das Spiel zu sehen. Nach dem Siegtor von Gheorge Popescu im Elfmeterschießen explodierte in Istanbul wie überall im Land millionenfach der Jubel. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen und weinten Freudentränen. Von Istanbul im Westen bis nach Diyarbakir im Osten bot sich überall das gleiche Bild: ein Meer von Galatasaray- und türkischen Fahnen, Feuerwerke, Autokorsos.

Ein Großaufgebot der Polizei sollte Ausschreitungen verhindern, doch obwohl Straßenschlachten wie in Kopenhagen ausblieben, konnten die Beamten nicht alle Exzesse verhindern. So wurde im westtürkischen Denizli ein 22-jähriger Mann erstochen, der mit anderen Fans in Streit geraten war. Für zwei andere Galatasaray-Anhänger war die Spannung des nervenaufreibenden Finales gesundheitlich zu viel: Sie starben an Herzinfarkten. Rund ein Dutzend Menschen wurde zudem durch Freudenschüsse aus scharfen Waffen verletzt - darunter ein einjähriges Mädchen in Mardin, das in seinem Bettchen von einem Querschläger getroffen wurde.

Der ausgelassenen Stimmung der meisten Türken konnten diese Unglücke aber nichts anhaben. Selbst mehr als zwölf Stunden nach dem Sieg hatte sich die überschäumende Freude noch nicht gelegt. Als die Mannschaft am Nachmittag aus Kopenhagen in die Türkei zurückkehrte, wurde sie auf dem Istanbuler Flughafen, der ebenfalls zu Ehren des Cup-Siegers mit roten und gelben Luftballons und Girlanden geschmückt war, schon auf dem Rollfeld von einer großen Menschenmenge begrüßt - die "Rückkehr des Champions", wie es hieß, wurde von mehreren Fernsehsendern live übertragen. Im Triumphzug fuhren die Spieler und ihre Begleiter anschließend zum Taksim-Platz, um sich von ihren Fans feiern zu lassen. Die Regierung will die Spieler des unter dem Kosenamen "Cim Bom" bekannten Clubs mit dem höchsten staatlichen Verdienstorden auszeichnen.

"So wird Geschichte geschrieben"

Der Siegestaumel war so überwältigend, dass die größte Zeitung des Landes, "Hürriyet", am Donnerstag morgen erst mit mehrstündiger Verspätung ausgeliefert werden konnte. "So wird Geschichte geschrieben", "Historischer Sieg", und "Cim Bom ist der neue König von Europa", lauteten die Schlagzeilen der Zeitungen. Zur patriotischen Feststimmung und den mit Fahnen geschmückten Straßen passt, dass an diesem Freitag der Jahrestag des türkischen Unabhängigkeitskrieges gefeiert wird - viele Türken werden bis Montag durchfeiern.

In einer seiner ersten Amtshandlungen gratulierte der neue türkische Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer den erfolgreichen Spielern. "Dieser große Sieg ist ein Zeichen für die Entschlossenheit unseres Landes, auf allen Gebieten Weltniveau zu erreichen", erklärte der Präsident. Wie Sezer und die meisten anderen der 65 Millionen Türken verfolgte auch Ministerpräsident Bülent Ecevit das Spiel am Fernseher. "Ich konnte gar nicht genug bekommen", sagte der 75-Jährige am Donnerstag vor Journalisten.

In seinem Glückwünschschreiben an Galatasaray betonte Ecevit den internationalen Aspekt des Erfolgs: "Dieser in Europa errungene Sieg macht uns stolz." Der Erfolg von Galatasaray werde jetzt die Türen Europas für die Türkei auch in anderen Bereichen aufstoßen. Ecevit telefonierte sogar mit EU-Kommissionschef Romani Prodi, der den Türken zum Sieg gratulierte. Zumindest sportlich sei die Türkei jetzt in die Riege der EU-Staaten aufgerückt, bilanzierte die liberale Zeitung "Yeni Binyil": "Bei den Menschenrechten und in der Wirtschaft sind wir zwar nicht die Besten in Europa, dafür aber im Fußball." Die unverwüstliche Oppositionspolitikerin Tansu Ciller brachte es auf den Punkt: "Wenn alle unsere Politiker so gut wären wie unsere Fußballer, dann würden wir schon längst zu Europa gehören."

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