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Sport: Mit dem Kopf voran

Fritz Dopfer überrascht mit seinem Slalom-Erfolg und macht Neureuther Konkurrenz im deutschen Team.

Berlin - Karlheinz Waibel ist spät nach Hause gekommen, kurz vor Mitternacht, auf eine kleine Feier hatte er da einfach keine Lust mehr. Aber dass Fritz Dopfer sich ein Gläschen genehmigt hat, vielleicht sogar zwei, das kann er sich vorstellen. Er gönnt’s ihm doch, der Bundestrainer der deutschen Skifahrer, Abteilung Männer. Er weiß doch, dass man so einen Triumph feiern muss.

Fritz Dopfer Dritter im Slalom in Wengen, das hätte ihm mal jemand vor der Saison sagen sollen.

Dopfer hatte die Zeitplanung über den Haufen geworfen. „Wir waren überrascht, dass er schon in dieser Saison im Slalom diese Entwicklung gemacht hat“, sagt Waibel. „Eigentlich wollten wir den Wechsel der Disziplin in der nächsten Saison angehen.“ Riesenslalom, das war erst mal Dopfers Spielwiese. In Beaver Creek hatte er den dritten Platz belegt im Riesenslalom, sein erster Podestplatz überhaupt im Weltcup. Das allein war schon ein Riesenerfolg. Aber dass Waibel jetzt neben Felix Neureuther einen zweiten Slalomfahrer hat, der vorne mitmischen kann, das bringt eine ganz neue Qualität in den Männerkader. Platz drei, das kann natürlich ein Ausreißer nach oben sein, das kann aber auch Resultat einer kontinuierlichen Entwicklung darstellen. Ein Ausreißer? Nein, sagt Waibel, „der dritte Platz ist Teil einer gesunden Entwicklung“. Dopfer hatte schon in Adelboden, im Slalom, den sechsten Platz belegt, nur wusste man damals noch nicht, wie man dieses Resultat so richtig bewerten muss.

Die Art, wie Dopfer fährt, deutet darauf, dass er sich in den Top Ten stabilisieren kann. „Er fährt mit Köpfchen“, sagt Waibel. „Er ist kein Killer.“ Er ist, anders gesagt: der Gegenentwurf zu Neureuther. Dopfers Zimmergenosse benimmt sich auf der Piste wie ein Cowboy, der einen wilden Mustang zureiten muss. Maximales Risiko, entweder er bleibt oben und ist Sieger, oder er wird abgeworfen. So verpasste er auch in Wengen wenigstens Platz zwei. Er riskierte zu viel, verlor Zeit und „hatte sich danach tierisch geärgert“, wie Waibel sagt.

Dopfer „fährt mit Kalkül“, sagt Waibel. Und zugleich hat er ein sehr gutes Gespür für die Feinheiten des Geländes. Die schwierige Piste von Wengen, bei der sich das Gelände oft ändert, hatte er zum ersten Mal in seinem Leben befahren, als er sich im ersten Lauf aus dem Starthaus katapultierte. „Eine unbekannte Piste, ein so schwieriges Gelände so gut zu bewältigen – das schaffen nicht viele Fahrer im Weltcup“, sagt Waibel. „Das zeigt einfach, dass er mit Gelände gut klarkommt. Außerdem ist er ein sehr geschmeidiger Fahrer.“ Und er ist offenbar keiner, der kurz davor ist abzuheben. Jedenfalls sieht Waibel diese Gefahr nicht. „Er kann nachvollziehen, warum er so schnell ist und wann er Fehler gemacht hat. Er weiß, was er tun muss, um noch schneller zu werden.“ Ein kühler Analytiker also. Waibel will ihn jetzt auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Der Mann bekomme die Zeit, die er braucht, sagt der Bundestrainer. „Aber natürlich soll er heiß bleiben. Er soll sich Richtung Podium orientieren.“

Der geschmeidige Herr Dopfer stellt jetzt allerdings seine Trainer vor eine „neue Herausforderung“. Waibel sagt das nicht ohne anerkennenden Unterton. Sie sind jetzt gefordert, die Trainer, das durchbricht ein bisschen die Routine. Wie stärkt man Dopfer, ohne dass Neureuther zugleich verkrampft? Das ist die spannende Frage. Bisher waren die beiden auch deshalb dicke Kumpel, weil die Hierarchie klar war. „Dem Felix war klar, dass er im Slalom schneller und im Riesenslalom auf Augenhöhe ist“, sagt Waibel. Dass Dopfer bei ihm viel abgeschaut hat, das hat Neureuther generös hingenommen, solange er immer noch die Nummer eins war. Dopfer und Neureuther trainieren gemeinsam in einer Technikgruppe. „Und im Training mit Felix“, sagt Waibel, „kann man sich viel abschauen.“ Dopfer saugt inzwischen Informationen auf wie ein Schwamm Wasser. Dopfer arbeitet sehr hart an sich, die Zeiten, in denen er gerne den Weg des geringeren Widerstands gegangen ist, sind vorbei. Das hat jetzt auch Neureuther mit sehr dosierter Freude registriert. „Felix muss feststellen, dass der Fritz nun auch im Slalom mit ihm auf Augenhöhe ist, damit wird er sich erst mal schwer tun“, sagt Waibel. So, und jetzt stehen sie da, die Betreuer. Sie wollen zwei schnelle Fahrer, die sich gegenseitig treiben, aber nicht einen Aufsteiger und eine beleidigte Leberwurst, die im Kampf um den Stellenwert verkrampft oder noch mehr Risiko eingeht. „Das müssen jetzt die Trainer moderieren“, sagt Waibel.

Einen kleinen Trost hat Neureuther. Verstärkt Slalom, kündigt Waibel an, wird Dopfer jetzt nicht trainieren.

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