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Sport: Mit dem Rad zum Reichtum

Die Tour de France startete im Fürstentum Monaco – auch die Radprofis verdienen immer mehr Geld

Manchmal ist es von Vorteil, ein kleines Fürstentum zu sein. Man kann die wenigen Zugangsstraßen kontrollieren und entscheiden, wer Einlass erhält und wer nicht. Bereits am frühen Samstagmorgen war die Autobahnabfahrt zum Fürstentum Monaco blockiert. Wer sich nicht als Einwohner oder akkreditierter Begleiter der Tour de France ausweisen konnte, musste auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen oder sich aufs Fahrrad schwingen, um zum Start der Tour zu gelangen. Bootseigner hatten es besser. Kurz vor dem Etappenziel wies eine Ballung von auf den Cayman Islands registrierten Jachten darauf hin, welchen Weg man einschlagen muss, um zum Reichtum und zu einem erstklassigen Beobachtungsplatz zu kommen.

Radler hatten es dennoch ins Herrschaftsgebiet der Familie Grimaldi geschafft. Glücklich rollten sie auf dem Rundkurs, der gewöhnlich den Formel-1-Rennwagen vorbehalten ist, erkletterten dann einen Anstieg und bogen nach einer großen Schleife schließlich auf die Zielgerade ein. (Es siegte der Schweizer Fabian Cancellara, Lance Armstrong wurde Zehnter). Die Invasion der Zweiradfahrer produzierte für die motorisierten Monegassen einen Stau in dem aus Motorsportübertragungen bekannten Tunnel. „Monaco ist nicht für die Tour de France gemacht“, schimpfte eine Frau aus dem Autofenster. „Die Formel 1 ist kein Problem. Das sind wir gewohnt. Aber heute wissen sie nicht, wie sie das organisieren sollen.“ Die Dame lag richtiger, als sie selbst ahnen konnte. Gestrenge Polizisten hatten dafür gesorgt, dass kein Lastwagen Monaco erreichen konnte und das Fürstentum einen Tag lang mit den Lagerbeständen auskommen musste. In einem Medienkaufhaus vertrösteten die Verkäufer Kunden, die Ware abholen wollten, auf Montag.

In Monaco war die Ordnung auf den Kopf gestellt. Profis des Rennstalls Francaise des Jeux fuhren mit ihren Rädern durch das Foyer des Hotels Fairmont. Am Straßenrand drückten die durchs Autofahren massig gewordenen Angestellten des Tour-Organisators ASO elegante Hut-Trägerinnen an die Leitplanke.

Doch von allerhöchster Stelle ist die Tour willkommen. „Monaco ist eine Hochburg des Sports. Die Tour de France passt perfekt dazu“, sagte Francois Chantrait, Sprecher des regierenden Fürsten Albert, dem Tagesspiegel. Einige Jahre schon bemühte sich der Fürst, der selbst gelegentlich beim Triathlon ins Schwitzen kommt, um eine Touretappe. „Umso schöner, dass wir jetzt den Start ausrichten können“, sagt Chantrait.

Völlig unvereinbar sind der frühere Proletensport und das mondäne Fürstentum nicht. Viele prominente Radprofis haben hier Wohnsitz genommen und sind beim monegassischen Verband registriert. „Tom Boonen gehört zu ihnen, Thor Hushovd, Filippo Pozzato und Michael Rogers“, zählt Verbandspräsident Umberto Langellotti auf. „Die meisten sind zunächst aus finanziellen Erwägungen hergekommen. Aber die nahen Berge und das warme Klima bieten über die gesamte Saison gute Trainingsbedingungen“, meint er. Den Dänen Michael Rasmussen hatte vor Jahren freilich auch die Tatsache hergelockt, dass der kleine Verband gar keine eigenständige Disziplinarabteilung aufwies. Doch das hat sich geändert, betont Langellotti. Seit dem Fall Rasmussen kennt man sich in Monaco in Dopingfragen aus. „Wenn die UCI es verlangt, werden wir gegen Thomas Dekker ein Verfahren eröffnen“, verspricht Langellotti. Der gedopte Holländer ist in Monaco lizensiert.

Von ihrem Gehaltsniveau her passen die Radprofis ins Fürstentum. Nach einer aktuellen Studie von der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young stieg das Durchschnittseinkommen der Profis von 70 000 Euro im Jahr 2002 auf 136 000 Euro in der Saison 2009. Zu den „Pedalling Poor“, wie Ernst & Young die pedaltretende Unterschicht nennen, gehören nur weniger als 15 Prozent aller Profis. Als Armutsgrenze haben die Gutachter 40 000 Euro Jahresverdienst festgelegt. Glaubt man der vom Weltradsportverband UCI in Auftrag gegebenen Studie, dann ist der globale Profiradsport eine echte Wachstumsbranche. 235 Millionen Euro setzen gegenwärtig alle Profiteams zusammen um. 2003, als T-Mobile-Mannschaftsarzt Lothar Heinrich noch als ein sympathischer Sportmediziner galt und das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland am liebsten 24 Stunden pro Tag von der Tour de France berichtet hätte, waren im Radsport nur 160 Millionen Euro im Umlauf gewesen.

Auch die Tour de France legt wirtschaftlich zu. Das Gesamtbudget steigt nach Auskunft des Marketingchefs der ASO, Laurent Lachaux, von ca. 100 Millionen Euro im letzten Jahr auf jetzt knapp 150 Millionen. Auch in der Fernsehübertragung sind Zuwächse zu verzeichnen (186 statt 180 Länder). Die Tour ist im Geldparadies an der Cote d’Azur also prächtig aufgehoben.

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