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Sport: Mit Flaum zu Gold

Der junge Franzose Christophe Lemaitre siegt über 100 Meter in 10,11 Sekunden

Unmittelbar vor dem Ziel warf Christophe Lemaitre noch mal seinen Kopf nach vorne, der Franzose wollte ganz sicher gehen. Es war nicht mehr nötig, sein Vorsprung war groß genug für den Sieg. Lemaitre gewann das 100-Meter-Finale bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in 10,11 Sekunden. Das ist die nüchterne Nachricht. Aber in diesem Rennen ging es ja um mehr. Der Zweikampf Lemaitre gegen Dwain Chambers hatte dieses Rennen zum Spektakel aufgewertet, der erste Weiße, der schneller als 10,00 Sekunden gerannt ist (9,98 in Valence), gegen den früheren Dopingsünder, der verzweifelt um jene Anerkennung kämpft, die er vor seiner Sperre besaß.

Aber diesen Zweikampf gab es nur 40 Meter lang. Bis dahin lag der Hallen-Weltmeister Chambers vor dem 20-jährigen Franzosen. Lemaitre hatte einen sehr schlechten Start, aber dann schob er sich Meter um Meter nach vorn, am Ende war sein Vorsprung deutlich. „Ich war sehr spät dran“, sagte Lemaitre, „ich war mir nicht mehr sicher, ob es reicht.“

Und Chambers? Der Rivale war nicht wirklich einer, im Ziel jedenfalls. Der Brite wurde in 10,18 Sekunden nur Fünfter, erst auf dem Zielfoto war es zu erkennen. Chambers war aber auch noch zeitgleich mit dem Zweiten, seinem Landsmann Mark Lewis-Francis.

Nach seinem Sieg riss Lemaitre die Hände in die Höhe, schnappte sich eine französische Fahne, legte sie um den Hals und präsentierte sich den Zuschauern. Was für ein Kontrast zu den Szenen am Start. Da stand ein schmaler, schlaksiger Sprinter vor seinem Startblock, den Kopf meist gesenkt, und wenn er oben war, huschten die Blicke nach links und rechts. Die Haare in Lemaitres Gesicht erinnern eher an einen Flaum als an einen Bart.

Chambers dagegen wirkte cool, abgeklärt wie immer. Seine Oberarmmuskeln glänzten im Scheinwerferlicht, er bewegte sich kaum, der Blick war grimmig. Doch hinterm Zielstrich gab er Lemaitre fair die Hand. „Ich wollte Gold“, sagte Dwain Chambers, „aber Christophe war stark und hat die Medaille verdient.“

Dabei hat Lemaitre sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Er ist er noch sehr jung und besitzt noch technische Reserven. Das hatten er und sein Trainer Pierre Carraz schon kurz nach den 9,98 Sekunden festgestellt, als viele Beobachter den jungen Franzosen bereits hymnisch feierten. Sein Coach Carraz, der ihn seit fünf Jahren betreut, erklärte sogar: „Wenn er optimal gelaufen wäre, dann hätte er in Valence eine Zeit von 9,92 Sekunden erreicht.“ Aber selbst wenn er mal 9,92 Sekunden laufen sollte, würde er den Top-Star der Szene nicht sonderlich beeindrucken. Usain Bolt, der Weltrekordler aus Jamaika, läuft, wenn er gesund ist, in seiner eigenen Liga.

Für Lemaitre geht es bei dieser EM in der Staffel und über 200 Meter noch um weitere Medaillen. „Es war ein außergewöhnliches Jahr“, sagte er, „und es ist noch nicht zu Ende.“

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