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Sport: Mozart mit Schläger

Wie der Schweizer Wimbledon-Sieger Roger Federer die Tenniswelt verzaubert

London . Am Sonntag machte Roger Federer nicht jenen Fehler, den er vor fünf Jahren begangen hat. Damals gewann der Schweizer Tennisspieler in Wimbledon den Wettbewerb der Junioren und erhielt deshalb für den Abend eine Einladung zum berühmten Champions Dinner. Doch nach einer Absprache mit seinem damaligen Trainer Peter Carter ging er nicht hin. „Wir haben gesagt, dass ich mich gut auf das Turnier in Gstaad vorbereiten muss“, erinnert sich Federer. „Ich bereue das in gewisser Weise immer noch.“ Am Sonntag bekam er erneut eine Einladung. Und ging hin.

Es könnte nicht sein letztes Dinner mit der Prominenz als Sieger eines Grand-Slam-Turniers gewesen sein. Wie Roger Federer in diesem Jahr in Wimbledon gewann, das brachte die Experten zum Schwärmen. „Federer führt das Feld der jungen Spieler an“, sagt Boris Becker, „der Mann wusste immer, dass er der Beste in der Welt werden kann – nun ist er bereit, das Feld für eine lange Zeit zu beherrschen.“

Becker: „Er hat keine Schwäche“

In sieben Matches gab Federer lediglich einen Satz ab. Nach dem Finalsieg über den Australier Mark Philippoussis (7:6, 6:2, 7:6) führt der 21-Jährige das Champions Race an, in dem das Abschneiden in einem Kalenderjahr bewertet wird. In der Weltrangliste rückte er hinter Andre Agassi und Juan Carlos Ferrero auf Rang drei vor. Die „Times“ schrieb schon vor dem Endspiel: „Wenn man Mozart wirklich kennen will, muss man seine Musik gehört haben, wenn man Roger Federer kennen will, muss man ihn spielen sehen.“

Mit verblüffender Leichtigkeit zaubert der 1,85 Meter große Schweizer Schläge hervor wie jenen Rückhand-Volley auf Höhe der Grundlinie im dritten Satz des Finales. Die Aufschläge des Spielers mit dem Stirnband wirken keineswegs so bedrohlich wie seines australischen Finalgegners mit den muskelbepackten Oberarmen. Und doch gelangen Federer im Finale sieben Asse mehr als Philippoussis. „Er hat keine Schwäche“, schreibt Boris Becker in der „Times“. Und weiter: „Er ist das komplette Paket.“ Vorhand, Rückhand, Service, Volley, Return – er beherrscht jeden Aspekt seines mühelos wirkenden Spiels. Als Allrounder fühlt er sich auch auf jedem Belag wohl.

Es gab jedoch eine Zeit, als der Mann aus Basel noch nicht komplett war. Er besaß zwar das Talent, nicht aber die Geduld und Disziplin, um den ganz großen Erfolg zu schaffen. Spätestens nach seinem Sieg vor zwei Jahren über Pete Sampras im Achtelfinale von Wimbledon hatte die Tenniswelt von ihm Kenntnis genommen. Doch Federer konnte die Erwartungen nicht erfüllen, schied 2002 in Wimbledon und bei den French Open bereits in der ersten Runde aus. In diesem Jahr jedoch gewann er bereits fünf Turniere. Nach dem Wimbledon-Sieg sagte er: „Es ist ein große Erleichterung für mich, weil ich von allen Seiten Druck gespürt habe – auch von mir selber."

Die Eltern als Angestellte

Ein Grund für den jetzigen Erfolg ist, dass Roger Federer sein Umfeld familiärer gestaltet hat. Vor einem halben Jahr verzichtete er auf eine Verlängerung seines Vertrages mit dem Vermarkter IMG und nahm das Management selber in die Hand. Mit Nike handelte er persönlich einen Ausrüstervertrag aus. Nun managen ihn seine Eltern, sie sind also Angestellte ihres Sohnes. „Wenn er sich in einem halben Jahr anders entscheiden sollte, wäre das auch in Ordnung“, sagt seine Mutter Lynette. Seine Schweizer Freundin Miroslava Vavrinec, eine ehemalige Spielerin auf der Frauentennis-Tour, übernahm jetzt beim Turnier in Wimbledon die Pressearbeit und die Organisation. Am Abend kochte sie in einem Apartment in Wimbledon Village für ihren Freund Roger, dessen Trainer Peter Lundgren und zudem für den Fitnesstrainer Pierre Paganini.

Einer fehlte jedoch am Sonntag, als Roger Federer in Wimbledon den bislang größten Erfolg seiner Karriere feierte. Peter Carter, der ihn von Jugend an trainiert hat, starb vor einem Jahr bei einem Autounfall in Südafrika. Er konnte also nicht mehr dabei sein, um mitzuerleben, wie Roger Federer zu jenem Dinner ging, auf das sie vor fünf Jahren gemeinsam verzichtet hatten. „Es ist natürlich traurig, dass er nicht mehr dabei war“, sagte Federer, „aber ich hoffe, dass er es von irgendwo gesehen hat“.

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