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Sport: Nach Einsicht der Akten

Dopingaufklärer Werner Franke versucht seine Vorwürfe gegen den verdächtigen Jan Ullrich mit einer eidesstattlichen Versicherung zu untermauern – doch es bleiben Zweifel

Berlin - Die Staatsanwaltschaft Hamburg wartet jetzt erst einmal ab. „Wir ermitteln ja nicht doppelt“, sagt ein Sprecher der Behörde. „Deshalb warten wir darauf, was Bonn liefert.“ Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt, ob Radprofi Jan Ullrich sein Team T-Mobile betrogen hatte, weil er zum Netzwerk des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes gehören könnte. Die Hamburger Strafverfolger kümmern sich um ein Detail dieser Geschichte. Hat Ullrich gelogen, als er in einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Hamburger Gericht erklärte, er habe nicht in einem Jahr 35 000 Euro an Fuentes für Dopingmittel bezahlt? Das hatte der Heidelberger Dopingexperte Werner Franke behauptet. Ullrich bestreitet dies, hatte Franke erfolgreich diese Behauptung gerichtlich verbieten lassen, doch Franke reagierte mit einer Anzeige gegen Ullrich – wegen einer angeblich falschen eidesstattlichen Aussage.

Und jetzt hat die Staatsanwaltschaft Hamburg noch mal Post von Franke erhalten – und gleich nach Bonn weitergeschickt. Denn der Inhalt ist brisant, vorausgesetzt, er stimmt. Jedenfalls ist es eine „eidesstattliche Versicherung“, und wenn sie falsch ist, dann macht sich Franke strafbar. Es geht um den Kontakt von Ullrich zu Fuentes. Ullrich behauptet unverändert, er habe den spanischen Arzt nicht mehr als nur flüchtig gekannt. Es geht auch um generelle Informationen über das Dopingnetzwerk.

Der Molekularbiologe Franke will ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung am 29. September nach Madrid geflogen sein, zusammen mit seinem Anwalt Michael Lehner und einem Spanisch sprechenden Kollegen. In der spanischen Hauptstadt hatte sich die deutsche Delegation laut Franke mit dem Chefermittler der „Operation Puerto“, Enrique Gomez Bastida, sowie einem weiteren spanischen Polizisten getroffen. Unter dem Decknamen „Operation Puerto“ lief die Aktion der Guardia Civil gegen Fuentes.

Gomez, schreibt Franke, habe erklärt, dass Ullrich schon mindestens seit 2003 eine Beziehung zu Fuentes gehabt habe. Er habe auch schriftlich erklärt, „dass zumindest Herr Ullrich in den letzten zwei Jahren außer einer Basiszahlung von jährlich 60 000 Euro in der Regel noch zweimal jährlich je 30 000 Euro bezahlt habe, insgesamt also einen Jahresbetrag von 120 000 Euro“. Dieses Geld sei in der Regel Fuentes – oder einem Stellvertreter – in die Hand übergeben worden. Außerdem sei Ullrich im Mai 2006 in einem Madrider Hotel gewesen, wo er gegen Bancotel-Voucher logiert habe.

Laut Frankes Protokoll soll es bei der Guardia Civil auch Fotos geben, auf denen Fuentes mit Ullrich zu sehen sei. Zudem habe die Guardia Civil in Papierkörben eines Madrider Hotels Blutbeutel beziehungsweise Blutflaschen mit der Aufschrift „Jan“ sichergestellt. Gomez redete aber laut Franke-Protokoll auch über die verschiedenen Verästelungen des Dopingnetzwerks. Franke schreibt: „Er betonte – und schilderte z. T. – auch noch das dabei herrschende System von Kartentelefonverbindungen (darunter auch kasachische bzw. tadschikische Mobiltelefone) und gab auch vier von Herrn Jan Ullrich benutzte Telefonnummern an, darunter auch ein Festnetzanschluss.“

Aber nicht bloß in Madrid hätten Radprofis Dopingmittel erhalten. Auch in Frankfurt am Main, im französischen Orleans und einem Ort in Norditalien, möglicherweise Treviso, seien die Sportler behandelt worden. So sei es ihm von Gomez geschildert worden, schreibt Franke. „Dabei sollen jeweils ein bis zwei Mediziner an diesen Orten jeweils einen – und nur einen – bestimmten Radsportler in einem Hotelzimmer behandelt (...) haben.“ Im Zusammenhang mit Frankfurt am Main habe Gomez auch einen Anästhesisten und seine Frau aus Bad Sachsa in Thüringen erwähnt. Der Chefarzt an einer Privatklinik steht im Verdacht, Fuentes mit Medikamenten beliefert zu haben. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Göttingen, er ist derzeit beurlaubt. Seine Frau arbeitet in einer Apotheke. Beide äußern sich nicht zu den Vorwürfen.

Prinzipiell, so heißt es in Frankes Bericht weiter, „sei es so gewesen, dass einem jeweiligen Ort beziehungsweise Hotel eine – kleine – Radsportlergruppe zugeordnet war. Außerdem seien bestimmte – vor allem hochprominente – Radsportler von Dr. Fuentes direkt in Spanien – in der Regel wohl Madrid – behandelt worden.“

Ullrichs Manager Wolfgang Strohband sagte, angesprochen auf die einzelnen Vorwürfe: „Da ist so viel Fantasie im Spiel, dass wir jetzt gar keinen Kommentar mehr abgeben. Da wird so viel spekuliert, wir sagen jetzt nichts mehr.“ So gibt es bereits in einem Punkt Unklarheiten, was Zweifel aufkommen lässt, ob die Vorwürfe von Gomez beziehungsweise Franke tatsächlich zutreffend sind. Franke schreibt etwa in seiner Versicherung in Bezug auf die angeblichen Aufenthalte von Ullrich im Mai in Madrid in Klammern dazu: „Ich verstand, die Behandlungstage waren zwischen dem 9. und 12. Mai, besonders aber am 10. Mai.“ Strohband erklärte dazu: „Wer in den Kalender schaut, weiß, dass zu der Zeit der Giro d’Italia stattfand.“ Der Giro begann am 6. Mai und endete am 28. Mai. Am 10. Mai war Ruhetag bei dieser Rundfahrt, rein theoretisch hätte Ullrich an diesem Tag also nach Madrid fliegen können.

Franke selber hofft jetzt, dass die Bonner Staatsanwälte bei ihren spanischen Kollegen offiziell anfragen, auch mit seinem Material als Grundlage. Gomez wartet offenbar nur darauf. Der Chefermittler, schreibt Franke, „hat grundsätzlich seine Bereitschaft erklärt, deutschen Staatsanwaltschaften (...) jederzeit Auskunft zu erteilen“.

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