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Das gibt es nicht: Herthas Spieler nach dem späten Gegentor. 

© / Foto: dpa/Tom Weller

„Naiv“ und nicht clever: Herthas Trainer Sandro Schwarz kritisiert sein Team nach Niederlage in Stuttgart

Das Gegentor in der achten Minute der Nachspielzeit bringt Hertha in große Schwierigkeiten. Nun bleibt in diesem Jahr nur noch eine Chance zur Schadensbegrenzung.

Oliver Christensen rappelte sich schnell auf. Der Torwart von Hertha BSC wandte sich dem linken Torpfosten zu und trat zweimal kräftig dagegen. Nur etwas unterhalb der Stelle, an der kurz zuvor der Kopfball von Konstantinos Mavropanos den Pfosten getroffen und anschließend den Weg ins Tor gefunden hatte.

In der achten Minute der wegen der Kopfverletzung von Wataru Endo langen Nachspielzeit – der Japaner konnte das Krankenhaus in der Nacht zu Mittwoch wieder verlassen – hatte Hertha das so wichtige Spiel in Stuttgart 1:2 verloren.

„Weniger Spektakel wäre mir auch lieber“, sagte VfB-Trainer Michael Wimmer, dessen Mannschaft bereits das vorige Heimspiel gegen den FC Augsburg durch ein Tor in der Nachspielzeit 2:1 gewonnen hatte. Mit Waldemar Anton hatte ebenfalls ein Abwehrspieler das Stadion in Ekstase versetzt.

Diesmal versammelte sich eine Jubeltraube inklusive Maskottchen Fritzle um Mavropanos. Das alles nur einige Meter entfernt von Herthas frustriertem Torwart Christensen.

Wimmers Wunsch nach etwas weniger Nervenkitzel ist geradezu ein Luxusproblem gegen die Sorgen seines Kollegen Sandro Schwarz. „Naiv“ nannte Herthas Trainer das Verhalten der Mannschaft vor dem K.o. in der 98. Minute: „Das hat nichts mit Müdigkeit zu tun. Wir müssen uns cleverer verhalten, wenn wir in Ballbesitz sind.“

Statt vorn selbst noch etwas auszurichten, oder wenigstens hinten nichts mehr zuzulassen, ermöglichte Hertha dem Gegner einen letzten Angriff. Daraus resultierte eine Ecke und schließlich der „Tiefschlag“, wie Schwarz den Treffer von Mavropanos nannte. Ein so spätes Gegentor ist selbst für Hertha-Verhältnisse neu. Ein Gegentor in der Schlussphase, das Punkte kostet, ist allerdings längst keine Ausnahme mehr.

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von 15 Pflichtspielen in dieser Saison hat Hertha BSC gewonnen.

Während sich der VfB in den beiden letzten Heimspielen vier zusätzliche Zähler nach Ablauf der 90 Minuten sicherte, und in der Tabelle inzwischen vor Hertha steht, kassierten die Berliner in den letzten acht Spielen sechs Treffer in der Schlussviertelstunde.

Gegen den FC Schalke 04 reparierte Hertha den Schaden und gewann. In den anderen Fällen gingen jeweils ein bis zwei Zähler verlustig, zusammengerechnet acht.

„Besser als zu verlieren“, hatte Dodi Lukebakio, dem in Stuttgart sein siebtes Saisontor in der Fußball-Bundesliga gelang, nach einem der zahlreichen Unentschieden gesagt. Nun aber verloren die Berliner binnen kurzer Zeit bei Werder Bremen und in Stuttgart Spiele, die eigentlich auf ein Remis hinausliefen.

„Wenn du nicht in Führung gehst, musst du zumindest dafür sorgen, auswärts einen Punkt mitzunehmen“, sagte Schwarz nach der Niederlage beim VfB: „Da müssen wir uns gravierend verbessern, um zum Ende hin den Gegner nicht einzuladen.“

Wenn du nicht in Führung gehst, musst du zumindest dafür sorgen, auswärts einen Punkt mitzunehmen.

Hertha-Trainer Sandro Schwarz

Hertha könnte mit einer ordentlichen Ausbeute auf der Habenseite im krisensicheren Mittelfeld stehen. Stattdessen findet sich die Mannschaft auf dem Relegationsrang wieder. Mit elf Punkten. Das sind vier weniger als zum gleichen Zeitpunkt in der größtenteils desaströs verlaufenen Saison 2021/22. Aktuell ist es nur ein Punkt Vorsprung auf den Vorletzten VfL Bochum.

„Ich mache mir keine Sorgen, dass die Stimmung kippen könnte“, sagt Schwarz. Mittelfeldspieler Jean-Paul Boetius brach in der ARD eine Lanze für das Team: „Ich glaube an diese Mannschaft.“ Ähnliche Sätze sind seit vielen Wochen von verschiedenen Protagonisten zu hören. Doch bei den harten Fakten sieht es weniger gut aus: Lediglich zwei Siege in 15 Pflichtspielen, zuletzt drei Niederlagen in Serie.

Und beim ebenfalls sehr weit von einem Gala-Auftritt entfernten VfB war von Herthas oft ansehnlichem Fußball dieser Spielzeit nicht mehr viel zu sehen. Es war eine den Tabellenplätzen angemessene Begegnung. Das wäre für die Gäste zu verschmerzen gewesen, wenn dafür das Ergebnis gestimmt hätte.

Nun bleibt in diesem Jahr und vor der für Sonntag terminierten Mitgliederversammlung nur noch eine Chance, Schadensbegrenzung zu betreiben und vielleicht wenigstens den Relegationsplatz wieder zu verlassen: Am Samstag im Olympiastadion (15.30 Uhr, live bei Sky) gegen den 1. FC Köln.

„Eine gründliche Analyse“ des Stuttgart-Spiels kündigte Schwarz bis dahin an. „Da müssen wir rausgehen und das Jahr anständig zu Ende bringen“, fordert Boetius. Gelingt das nicht, verbringt Hertha die aufgrund der WM über zwei Monate lange Winterpause möglicherweise sogar auf einem Abstiegsplatz.

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