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Neuer Bayern-Trainer: Josep Guardiola und die Feminisierung des Fußballs

Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des Philosophie Magazins, erklärt in seinem Gastbeitrag, was der Transfer von Trainer Josep Guardiola zum FC Bayern tatsächlich bedeutet.

Wen will es erstaunen, dass sich an den nahenden Wechsel Josep Guardiolas auf die Trainerbank von Bayern München höchste Hoffnungen knüpfen? Schließlich war der FC Barcelona unter seiner Regentschaft die global dominierende Mannschaft der vergangenen Jahre. Und schließlich wissen wir alle ganz genau, was für ein wahnsinnig toller Trainer und vor allem Mensch dieser Pep doch ist: ein geborener Spielerversteher, ultimativ empathisch, taktisch genial, auf nachhaltige Jugendförderung setzend, stets bescheiden, intuitiv, edel und gut, ein asketischer Poet, kein bisschen eitel – kurz: eines der vollkommensten Wesen der Welt, gleich nach dem Dalai Lama, mit dem er karmisch gesehen zweifellos mehr als nur die blank polierte Glatze gemein hat.

In solch einem Klima messianischer Naherwartung muss jedes kritische Wort den Verdacht effektheischenden Nörgelns auf sich ziehen. Dennoch soll an dieser Stelle die Frage gestellt werden, wofür Guardiola als Trainer des FC Barcelona spielkulturell eigentlich stand, zumal es auf diese Frage eine ganz einfache und jedem augenfällige Antwort gibt: Guardiola steht für die konsequente Feminisierung des Fußballs.

Sein komplexes, übungsintensives Spielideal reinigte das Feld von geschlechtstheoretisch klassisch „männlichen“ Attributen wie Physis, Aggressivität, Egoismus und Rang und ersetzte sie extrem erfolgreich durch klassisch „weiblich“ codierte Leitwerte wie Kommunikation, Kollektivität und Kreativität. Beispielhaft verkörpert wurde sein Ideal folgerichtig von drei Spielern, deren leibliche Anmutung als eher androgyn zu bezeichnen bleibt: Xavi, Iniesta und Messi.

Mit genialer Unterstützung seiner drei Galionsfigürchen perfektionierte Guardiola eine Spielweise, die auf permanenten Ballbesitz und vor allem Ballkontrolle abzielt, sich durch extrem hohe Kurzpassintensität sowie im Gelingensfall durch systemisch garantierte Kreativität auszeichnet. Guardiolas Vision folgend, bedarf schöner Fußball keiner Pässe von mehr als 15 Metern Länge, keiner Torschüsse oder Freistöße aus mehr als 20 Metern, keiner hohen Flanken und damit auch keiner Kopfballtore – folglich auch keiner körperlich starken Stürmer.

Permanentes Vorspielen ohne erkennbares Abschlussverlangen

Guardiola gab den physisch beeindruckendsten Angreifern des Planeten, Samuel Eto‘o und Zlatan Ibrahimovic, bei Barcelona nacheinander den Laufpass, bis er schließlich ganz auf die Position des Stürmers verzichtete. Keine Maßnahme aber kennzeichnet das dunkle Potenzial seines Stils deutlicher als die Vorgabe, Eckbälle nicht mehr schlagen zu lassen, sondern sie statt dessen kurz ausgeführt als Beginn einer weiteren Passorgie zu nutzen.

Es handelt sich hierbei um taktische Eingriffe, die das Spiel in seiner Tiefengrammatik betreffen und bedrohen – ja es faktisch verhöhnen. Dennoch wird das Guardiola-Ideal von der kommentierenden Fachwelt einmütig als ultimativ schön und ästhetisch wegweisend gepriesen. Es wird die Aufgabe einer späteren Generation bleiben, die tieferen gesamtgesellschaftlichen Gründe dieser gerade in Deutschland flächendeckenden Geschmacksumwandlung freizulegen.

Für den Moment darf daran erinnert werden, dass bei Guardiolas Elf (wie auch bei der spanischen Nationalmannschaft als deren taktischer Klon) in der Endphase ihrer Entwicklung Ballbesitzquoten von 80 Prozent mit einer nur noch pathologisch zu nennenden Penetrationsverweigerung einhergingen. Geboten wurde ein permanentes Vorspielen ohne erkennbares Abschlussverlangen, das in seiner traurigen Konsequenz einem ganzen Kontinent die Lust am Spiel zu nehmen drohte.

Für alle diejenigen, die den Sinn für die distinkt männlichen Schönheiten des Fußballs noch nicht verloren haben, liegt die eigentliche Gefahr seines Transfers nach München deshalb auch nicht in einem – durchaus möglichen – sagenhaften Scheitern seines System-Anspruches, sondern vielmehr in der Aussicht, es könnte dem neuen Heilsbringer tatsächlich gelingen, mit seiner Vision von der totalen Feminisierung des Feldes auch die zukünftig beste Liga der Welt zu dominieren.

Wolfram Eilenberger ist Chefredakteur des Philosophie Magazins.

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