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Marcel Reif. TV-Reporter und Tagesspiegel-Kolumnist.

© dpa

Marcel Reifs Kolummne: Neuer muss sich nicht fürchten

Manuel Neuer, praktisch von Geburt an Schalker, zieht es in die Fußballwelt hinaus - der richtige und notwendige Schritt, wie Marcel Reif findet. Der Nationalkeeper zeigt auch im Abschied Größe.

Aber das ist doch klar, dass es auf Schalke Fans gibt, die ihrem Manuel Neuer die Borussia an den Hals wünschen, die ihm das Transparent entgegenhalten: „Geh’ doch gleich zum BvB!“ Aber wer nur ein Fünkchen von der Kultur der Fußballfans, namentlich der Schalker, begriffen hat, der wird wissen, dass es die Minderheit ist. Manuel Neuer geht. Und die Fans sind traurig, manche enttäuscht, wenige wütend, ein paar zornig. Und das dürfen sie auch alles sein, weil da einer der ihren ihnen den Rücken zuwendet. Und es werden Tränen fließen, wenn die letzte gemeinsame Feier, womöglich in der Champions League, gefeiert ist.

Nichts weniger als Tränen hat Manuel Neuer verdient. Komme doch keiner damit, dass Neuer wegen Geld geht, wer so etwas propagiert, hat nicht mal den Stammtisch verdient, an den er solchen Unsinn ablässt. Es ist vielmehr wie im Kinderlied vom Hänschenklein, der auch allein in die weiter Welt hinauszog. Und die Schalker weinen sehr, haben sie kein Manu mehr...

Und so ist es gut, so ist es richtig, so ist es der Weltenlauf. Mit schnödem Mammon hat das rein gar nichts, allenfalls in dritter, vierter Linie, zu tun. Manuel Neuer, der Schalker nahezu von Geburt an, ist fast stündlich gewachsen, als Torwart, als Mensch. Wen gibt es noch auf der Welt der Torhüter, zu dem Neuer groß aufschauen müsste? Spaniens Iker Casillas vielleicht, aber dem kann er schon in die Augen schauen, statt zu ihm aufzublicken. Und Gianluigi Buffon ist ein alt gedienter Heros. Nein, Manuel Neuer kann in die Welt hinausgehen, er muss sie nicht fürchten.

Wer darüber hinaus gesehen hat, wie er mit seinen noch jungen Jahren seine Abschiedsworte fand und vor allem welche, der wird auch anerkennen müssen, dass auch der Mensch Manuel Neuer gewaltig an Statur gewonnen hat. Nichts Aufgesetztes war da zu sehen, nichts Gekünsteltes, nichts Inszeniertes. Und die Schluckbeschwerden und Tränen, die kommen einem nun mal, wenn eine Liebe an ihr Ende gekommen ist und man nicht aus Stein ist. Und es ist ja nicht nur die Liebe, so ein Weggang ist auch Notwendigkeit. Seit Jahrhunderten gehen Handwerker auf Wanderschaft, ein Koch, der immer nur am gleichen Herd bleibt, wird kein guter Koch, Erfahrungen sammelt man in der Fremde. Manuel Neuer weiß, dass er den Schmerz der Fans verursacht hat, die Fans sollten wissen, dass er ihn nicht verschuldet hat.

Sie werden es wissen. Weil sie als leidgeprüfte Fans wissen, dass in ihrem Klub die Würde und der Anstand, mit denen sich Neuer verabschiedet hat, nicht zu allen Zeiten zu haben war. Auch das versöhnt mit einer Saison, in der man zeitweise glauben konnte, ihre Protagonisten seien dem Irrsinn verfallen. Und wer Manuel Neuer immer noch für einen Verräter hält, bitte, Schalke braucht Geld und bekommt es nun. Man muss nicht so weit gehen, dass Manuel Neuer sich opfert, aber auf jeden Fall tut er auch etwas für den Klub seines Herzens.

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